Psychoonkologin im Interview

Was Brustkrebs mit dem Liebesleben macht – eine Expertin spricht Klartext

Nachdenkliches Paar in gemütlicher Umgebung, die Frau mit Brustkrebs wirkt ruhig und wird vom Partner gehalten.
© Adobe Stock/ nimito
Wie eine Brustkrebserkrankung die Partnerschaft belasten kann, erzählt Psychoonkologin Regina Livchits im Interview mit BILD der FRAU.

Brustkrebs betrifft jährlich 69.700 Frauen in Deutschland. Neben den physischen und psychischen Herausforderungen wirkt sich die Behandlung oft auch auf das intime Leben der Betroffenen aus. Wir haben uns gefragt, wie die Krankheit und die entsprechende Behandlung das Liebesleben der Patientinnen beeinflusst und darüber mit einer erfahrenen Psychoonkologin gesprochen, um mehr über diese oft unterschätzte Facette der Erkrankung zu erfahren.

Krebs zählt in Deutschland zu den häufigsten Erkrankungen überhaupt: Jedes Jahr erhalten rund 500.000 Menschen hierzulande eine Krebsdiagnose. Statistisch bedeutet das, dass mehr als zwei von fünf Frauen und etwa jeder zweite Mann im Laufe ihres Lebens daran erkranken. Welche Krebsart besonders häufig auftritt, hängt unter anderem vom Alter und Geschlecht ab.

Laut des Zentrums für Krebsregisterdaten am Robert-Koch-Institut ist Brustkrebs die mit Abstand häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Um auf die Bedeutung von Vorsorge und Früherkennung hinzuweisen, steht deshalb jedes Jahr der Oktober als internationaler Brustkrebsmonat im Zeichen der Aufklärung, Prävention und Solidarität mit Betroffenen. Und das ist gut so, denn alljährlich erkranken rund 69.700 Frauen in Deutschland an dieser Krebsart.

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Diese Promi-Damen haben ihre Brustkrebs-Erkrankung öffentlich gemacht

Auch einige Prominente und Stars erkrankten an Brustkrebs und gingen damit an die Öffentlichkeit, um ein Zeichen für Visibilität zu setzen. Bei Hollywood-Legende Jane Fonda wurde beispielsweise 2010 ein Tumor während einer Routineuntersuchung entdeckt. Die Schauspielerin wurde daraufhin operiert. Nach dem Eingriff hieß es, dass sie zu 100 Prozent krebsfrei sei.

Für Sylvie Meis war 2009 das schicksalshafte Jahr, in dem die gebürtige Niederländerin ihre Krebs-Diagnose bekam. Damals besteht sie auf eine Operation, was ihr im Nachhinein womöglich das Leben gerettet hat und muss sich einer Chemotherapie unterziehen. Auch wenn sie heutzutage als geheilt gilt, begleiten sie die Ängste, Sorgen und das Erlebte noch weiterhin, wie sie erst kürzlich bekannt gab. "Ich denke jeden Tag an den Krebs", schildert sie im RTL-Podcast "May Way".

Ein weiteres prominentes Beispiel: Patricia Kelly. Die Sängerin erkrankte 2009 selbst an Brustkrebs und engagiert sich seitdem als Botschafterin. "Zweimal wurde ich in meinem Leben auf ganz einschneidende Weise mit dem Thema Brustkrebs konfrontiert. Als ich erst 12 Jahre alt war, ist meine Mutter an der schrecklichen Krankheit gestorben. Etwa 3 Jahrzehnte später bekam ich dann die gleiche Diagnose", erinnert sie sich. Gemeinsam mit Brustkrebs Deutschland e.V. setzt sie sich für den Kampf gegen die Krankheit, die Prävention und die Aufklärung ein. Für sie sei es besonders wichtig, bei Frauen jedes Alters ein Bewusstsein für die Wichtigkeit regelmäßiger Untersuchungen zu schaffen.

Weitere Promis, die bereits an Brustkrebs erkrankten, sind unter anderem Olivia Newton-John, Cynthia Nixon, Kylie Minogue und Shannen Doherty. Letztere verstarb vergangenes Jahr im Sommer an den Folgen ihrer erstmals 2015 diagnostizierten Brustkrebserkrankung.

Brustkrebs & Sexualität: Psychoonkologin Regina Livchits im Interview

Für viele Frauen stellt jedoch nicht nur die Diagnose, sondern auch die Behandlung eine enorme Belastung dar – sowohl physisch als auch psychisch. Da ist es kaum verwunderlich, dass die Auswirkungen des Brustkrebses in viele Bereiche des alltäglichen Lebens überschnappen: Sei es aufgrund der Chemotherapie, Angst vor Ungewissheit oder Ähnlichem. Ein weiterer Lebensbereich, den die Erkrankung massiv beeinflusst, ist die Partnerschaft sowie das Liebesleben und die Intimität, die sich durch den Brustkrebs maßgeblich verändern.

BILD der FRAU hat mit der Psychoonkologin Regina Livchits über das Thema Brustkrebs und Partnerschaft gesprochen. Im Interview erzählt die klinische Sexologin mit eigener Praxis in Berlin, wie die Erkrankung die Partnerschaft und das Sexualleben beeinflusst.

Regina Livchits, Sexologin, trägt ein weißes Oberteil und lächelt in die Kamera. | © Privat
Foto: Privat
Regina Livchits ist ausgebildete Sexologin, Psychoonkologin und Heilpraktikerin für Psychotherapie.

So stark beeinflusst Brustkrebs das Liebesleben – das sagt eine Expertin

BILD der FRAU: Inwiefern beeinträchtigt eine Brustkrebserkrankung die Sexualität der Betroffenen?

Regina Livchits: Eine Brustkrebserkrankung kann die Sexualität der Betroffenen in vielfältiger Weise beeinträchtigen. Diese Beeinträchtigungen sind äußerst individuell und hängen von verschiedenen Faktoren ab. Einige Frauen bemerken möglicherweise keine oder nur geringfügige Veränderungen in ihrer Sexualität. Für andere kann die Sexualität sogar wichtiger und schöner werden, da sexuelle Aktivitäten als Möglichkeit genutzt werden, positive Gefühle zu erleben und sich abzulenken.

Dennoch ist es bei den meisten Betroffenen so, dass sie aufgrund der Behandlungen sexuelle Schwierigkeiten erfahren. Diese Schwierigkeiten können eine mögliche Langzeitnebenwirkung der Brustkrebsbehandlung sein. In einigen Fällen entwickeln sich sogar chronifizierte sexuelle Störungen mit schwer zu durchbrechendem Vermeidungsverhalten.

Dabei neigen die betroffenen Frauen dazu, sexuelle Aktivitäten und Zärtlichkeit zu meiden und sich Situationen zu entziehen, die den eigenen Körper betreffen. Zusätzlich dazu können Kontrollrituale wie Bodychecking, dysfunktionale Denkmuster, Kommunikationsprobleme in Bezug auf sexuelle Bedürfnisse und ein negatives Selbstkonzept in Bezug auf den eigenen Körper auftreten.

Es ist wichtig zu beachten, dass eine Brustkrebserkrankung nicht nur durch die Behandlungen, sondern auch durch gesellschaftliche Normen in Bezug auf Weiblichkeit und Sexualität, das psychosoziale Schönheitsideal, den Einfluss der Medien sowie persönliche Erfahrungen im Kontext der Sexualbiografie, die Qualität der Partnerschaft und andere Persönlichkeitsfaktoren beeinflusst wird.

Viele Betroffene erleben ein vermindertes sexuelles Verlangen sowie psychische Belastungen

Während des Krankheitsverlaufs können weitere Faktoren das Sexualleben beeinflussen, darunter die Beteiligung an medizinischen Entscheidungen, die gewählte Operationsmethode, die Art der Therapie, die Rekonstruktion der Brust, das kosmetische Ergebnis, Probleme im Zusammenhang mit dem veränderten Körperbild sowie andere aufrechterhaltende Faktoren wie körperliche Beeinträchtigungen (z.B. Schmerzen) und psychische Befindlichkeiten (z.B. Stress und Depressionen).

Zusammengefasst zeigt sich, dass eine Brustkrebserkrankung die Sexualität der Betroffenen in erheblichem Maße beeinflussen kann, wobei die individuellen Auswirkungen von vielen Faktoren abhängen.

Wie verändert sich das Sexleben der Betroffenen durch die Erkrankung?

Die Erkrankung an Brustkrebs kann das Sexleben der Betroffenen in vielerlei Hinsicht beeinflussen. Diese Veränderungen können sehr individuell sein und hängen stark von der körperlichen Verfassung und der Art der Behandlung ab.

Häufig von Betroffenen genannte Veränderungen umfassen Schmerzen, ein vermindertes sexuelles Verlangen, Schwierigkeiten bei der sexuellen Erregung, psychische Belastungen aufgrund der Krebserkrankung, das Gefühl, nicht mehr attraktiv zu sein, psychische und physische Verunsicherung, Schamgefühle, das Gefühl, einen fremden Körper zu haben, sowie eingeschränkte bis sehr empfindliche Empfindsamkeitswahrnehmungen und Schwierigkeiten zum Orgasmus zu kommen.

Diese Veränderungen können das Sexleben betroffener Frauen erheblich beeinflussen und erfordern oft eine einfühlsame Unterstützung und Kommunikation, um die sexuelle Gesundheit und das Wohlbefinden zu verbessern.

Chemotherapie und Co können das Selbstwertgefühl der betroffenen Frauen beeinträchtigen

Haben die Medikamente und die Therapie eine Auswirkung auf die Libido? Wenn ja, inwiefern?

Sowohl die medikamentöse Therapie als auch operative Eingriffe bei Brustkrebs haben erhebliche Auswirkungen auf die Libido der betroffenen Frauen.

In Bezug auf operative Eingriffe zeigt sich, dass die gewählte Methode, sei es eine brusterhaltende Operation oder eine Brustablation mit oder ohne Rekonstruktion, das Körperbild stark beeinflusst. Dies kann zu Selbstzweifeln führen und letztendlich die sexuelle Aktivität einschränken.

Frauen, die sich einer brusterhaltenden Operation unterzogen haben, fühlten sich oft am wenigsten in ihrer Sexualität beeinträchtigt. Hingegen berichten Frauen, die umfassendere Operationen durchlaufen, von einer größeren Beeinträchtigung in ihrer Sexualität. Das Körperbild hat einen direkten Einfluss auf den Wunsch nach sexueller Aktivität und die Häufigkeit des Geschlechtsverkehrs. Darüber hinaus können solche Körperbildprobleme auch zu Beziehungsstörungen führen.

Die Wahl der medikamentösen adjuvanten Therapie, insbesondere die Chemotherapie, hat ebenfalls erhebliche Auswirkungen auf die Libido. Die Nebenwirkungen der Chemotherapie, wie Alopezie, Übelkeit und Erbrechen, können das Selbstwertgefühl beeinträchtigen und somit die Libido beeinflussen.

Haarausfall aufgrund der Behandlung kann das Körperbild stark verändern und sich negativ auf das Sexualleben auswirken. Darüber hinaus greift die Chemotherapie in die Hormonproduktion ein und verursacht viele unerwünschte Nebenwirkungen, was unter anderem zu Libidostörungen führen kann. Es können auch physiologische Auswirkungen auftreten, wie eine verminderte Lubrikation und Dyspareunie, die wiederum zu Störungen der Orgasmusfähigkeit führen.

Bei prämenopausalen Patientinnen führt die medikamentöse Therapie oft zu einer vorzeitigen Menopause, die einen Verlust der Fruchtbarkeit mit sich bringt und sich auch auf die Trockenheit im Vaginalbereich sowie eine Abnahme der Libido auswirken kann. Selbst bei postmenopausalen Patientinnen können Lubrikationsstörungen auftreten, was sich unterschiedlich auf das Sexualverhalten auswirken kann. Frauen, die aufgrund der Medikamente Scheidentrockenheit entwickeln, haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, funktionelle sexuelle Störungen zu entwickeln.

Insgesamt können Medikamente und Therapien bei Brustkrebs somit in vielfacher Hinsicht die Libido beeinflussen, sei es durch die emotionalen Auswirkungen auf das Körperbild, die Nebenwirkungen der Behandlung oder die hormonellen Veränderungen im Zusammenhang mit der Therapie.

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