Sexflaute, Streit, Schweigen...

Ist unsere Beziehung noch zu retten? DAS sind die Tipps einer Expertin

Zwei ausgestreckte Hände greifen nacheinander über ein zerrissenes Seil vor hellem Hintergrund.
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Keine Nähe mehr, nur noch Alltag? Beziehung retten oder beenden? Eine Expertin verrät, was du jetzt tun kannst.

Kommunikationsprobleme, fehlende Nähe oder alte Konflikte: Viele Paare geraten irgendwann in eine Krise. Eine Expertin erklärt, wie man Warnsignale erkennt, Vertrauen wieder aufbaut – und wann es besser ist, loszulassen.

Jede Beziehung kennt Höhen und Tiefen – doch manchmal werden aus kleinen Rissen tiefe Gräben. Viele Frauen fragen sich dann: kämpfen oder gehen? Psychologin und Mentorin Katharina Samoylova, die Frauen nach toxischen Beziehungen zurück in ihre Kraft begleitet, weiß: Liebe ist ein Verb – sie muss aktiv gelebt werden. Im Interview mit BILD der FRAU gibt sie Tipps, wie Paare Nähe und Vertrauen zurückgewinnen können – und woran man erkennt, wann eine Beziehung keine Zukunft mehr hat.

Wie kann man eine langjährige Beziehung retten? Das sagt der Profi

5 Lektionen, die wir aus toxischen Beziehungen lernen können

1. Ursachen & frühe Anzeichen von Beziehungskrisen

BILD der FRAU: Liebe Frau Samoylova, was sind die häufigsten Gründe für Beziehungskrisen nach vielen Jahren – und wie lassen sie sich vermeiden?

Psychologin und Mentorin Katharina Samoylova | © Katharina Samoylova
Foto: Katharina Samoylova
Psychologin und Mentorin Katharina Samoylova

Katharina Samoylova: Ein häufiger Grund ist, dass Partner*innen mit der Zeit als selbstverständlich wahrgenommen werden. Dabei ist Lieben eben ein Verb: etwas, das wir aktiv tun müssen. Wenn man nichts mehr investiert, verblasst auch das Gefühl, ganz logisch. 

Weitere häufige Gründe: 

  • Kommunikationsmangel – es wird nur noch über Organisatorisches gesprochen, nicht mehr über Wünsche, Sorgen oder Gefühle. 
  • Unterschiedliche Entwicklungen, etwa nach dem Auszug der Kinder oder beim Übergang in den Ruhestand. 
  • Fehlende körperliche Nähe – auch wenn das Bedürfnis hier sehr unterschiedlich ist, bleibt sie für viele wichtig, um sich verbunden zu fühlen. 
  • Alte, ungeklärte Konflikte, die lange unter der Oberfläche schwelen. 

Was hilft?

Beziehung ist und bleibt Arbeit. Es lohnt sich, sich bewusst Zeit füreinander zu nehmen. Zum Beispiel, indem man sich einmal pro Woche zusammensetzt und bespricht: Was läuft gut, was fehlt mir, was wünsche ich mir? Denn niemand kann Gedanken lesen – auch nach 30 Jahren nicht. Kleine Gesten zwischendurch wirken oft Wunder und halten die Verbindung lebendig.

Was sind die ersten Anzeichen einer Beziehungskrise, die Paare beachten sollten?

Folgende Warnsignale sollten ernst genommen werden: 

  • Zärtlichkeiten und liebevolle Gesten werden seltener. Man umarmt sich kaum noch, berührt sich im Vorbeigehen nicht mehr – dabei sind solche kleinen Momente oft das, was Nähe schafft. 
  • Man spricht kaum noch über sich selbst. Es geht nur noch um Termine, den Einkauf oder die Steuer – aber nicht mehr um Gefühle, Wünsche oder Gedanken. 
  • Ständiges Genervtsein ersetzt Wertschätzung. Statt sich über den anderen zu freuen, häufen sich innere oder ausgesprochene Vorwürfe. 
  • Kritik, Spott oder abwertende Bemerkungen schleichen sich ein. Der Ton wird kälter, liebevoller Humor fehlt. 
  • Das "Wir-Gefühl" schwindet. Man plant nicht mehr gemeinsam, jeder lebt mehr für sich. 
  • Körperliche Nähe ist nur noch selten oder ganz verschwunden. Für viele – nicht für alle – ist das ein Zeichen für innere Distanz. 
  • Man fühlt sich emotional allein, obwohl man nebeneinander lebt. Das ist oft das deutlichste Warnsignal – eine leise, aber sehr schmerzhafte Entfremdung. 

Wie heißt es so treffend bei der Autorin Birgit Fehst: "Wenn man eine Beziehung einfach laufen lässt, wird sie irgendwann in einer Sackgasse enden." Genau deshalb lohnt es sich, diese leisen Hinweise früh ernst zu nehmen – bevor aus kleinen Rissen tiefe Gräben werden. 

"Nur noch Eltern, kein Paar mehr": Woran erkennt man das in der eigenen Beziehung – und was lässt sich dagegen tun?

Viele Paare haben sich über Jahre hinweg auf ihre Rolle als Eltern konzentriert. Wenn die Kinder größer sind oder schon aus dem Haus, zeigt sich oft: Vom Paar ist wenig übrig. Man lebt nebeneinander her, funktioniert im Alltag, aber Nähe, Zärtlichkeit und echte gemeinsame Momente sind selten geworden. Das Miteinander wirkt eher wie eine Wohngemeinschaft. Manchmal schläft man sogar in getrennten Schlafzimmern (was nicht per se negativ ist). Auch das kann ein Zeichen sein: Ihr seid Eltern – aber kein Liebespaar mehr. 

Was hilft?

Gebt eurer Beziehung wieder Raum. Jetzt ist die Zeit, sich neu kennenzulernen. Nach all den Jahren habt ihr euch verändert – und das ist gut so. Umso wichtiger ist es, sich wieder mit Neugier zu begegnen. Plant feste Paarzeiten ein: ein Abendessen, ein Spaziergang, ein neues Hobby. Vielleicht Tanzen. Vielleicht Reisen. Hauptsache: gemeinsam. 

Was sind häufige Warnsignale dafür, dass eine Beziehung toxisch geworden ist?

Wenn eine Beziehung nur noch Kraft raubt, wenn man ständig über die gleichen Probleme streitet oder diskutiert, aber sich nichts ändert – und der Partner einfach weitermacht wie bisher – dann ist das ein klares Warnsignal. Viele Frauen merken auch, dass sie sich kaum noch trauen, ihre Meinung zu sagen oder ihre Gefühle zu zeigen, um keinen weiteren Streit zu provozieren. Eigene Bedürfnisse werden immer weiter zurückgestellt. 

Spätestens wenn der Körper Alarm schlägt – mit innerer Unruhe, Schlafstörungen, Rückenschmerzen oder Magenproblemen – sollte man ehrlich hinschauen: Dann ist die Beziehung längst toxisch geworden. 

2. Konflikte & Kommunikation

Thema Kommunikation: Wie können Paare Konflikte lösen, ohne in alte Muster zurückzufallen? 

Das A und O ist, sich bewusst Zeit für Gespräche zu nehmen – nicht zwischen Tür und Angel, sondern ganz ohne Ablenkung. Wer wirklich zuhört, statt direkt zu antworten oder zu widersprechen, zeigt dem anderen Wertschätzung. Wichtig ist dabei, nicht in alte Muster zu rutschen: Statt Vorwürfen lieber in Ich-Botschaften sprechen – also sagen, wie es einem geht, statt dem anderen die Schuld zuzuschieben ("ich fühle mich übergangen, wenn" statt "du hörst nie zu"). 

Im Streit hilft es, bei einem Thema zu bleiben. Alte Konflikte aus der Vergangenheit aufzuwärmen, führt meist zu noch mehr Frust. Und: Hört einander wirklich zu, ohne gleich mit einer Lösung oder Verteidigung zu kommen. Wenn es emotional wird, kann auch eine kurze Pause helfen, bevor das Gespräch später in Ruhe fortgesetzt wird. 

Männer und Frauen ticken oft unterschiedlich: Frauen wollen meist einfach nur, dass man ihnen zuhört und sagt: "Das klingt wirklich blöd, das tut mir leid." Männer dagegen denken sofort in Lösungen – und das führt schnell zu Missverständnissen. Eine einfache Regel hilft – frage dich vor dem Gespräch,: "Willst du, dass ich einfach nur zuhöre – oder suchst du eine Lösung?" Und wenn du unsicher bist, frage offen: "Was brauchst du gerade? Soll ich dich in den Arm nehmen? Einen Kaffee machen?" Niemand kann Gedanken lesen – aber fragen kann man immer.  

3. Emotionale Nähe, Sexualität & Vertrauen 

Wie kann man emotionale Nähe wiederherstellen, wenn sie über die Jahre verloren gegangen ist?

Emotionaler Abstand entsteht oft schleichend – durch Stress, Alltag und Schweigen. Um Nähe wieder aufzubauen, braucht es keine großen Gesten, sondern echte Begegnung. Sprecht nicht nur über den Tag, sondern über das, was euch bewegt. Zeigt Interesse: "Was beschäftigt dich gerade?" – nicht aus Pflichtgefühl, sondern ehrlich. 

Nähe entsteht, wenn beide sich wieder gesehen fühlen. Auch kleine Berührungen, ein gemeinsamer Spaziergang oder das Teilen schöner Erinnerungen können viel bewirken. Und manchmal reicht schon ein ehrliches: "Ich vermisse uns."

Welche Rolle spielt Sexualität für eine gesunde Beziehung – und was tun, wenn Sex dauerhaft ausbleibt? 

Sexualität bedeutet für jede Beziehung etwas anderes. Manche Paare leben auch ohne Sex zufrieden – andere vermissen ihn schmerzlich. Entscheidend ist: Wenn eine*r von beiden sich körperliche Nähe wünscht, sollte das ernst genommen und offen besprochen werden. 

Gerade nach der Menopause berichten viele Frauen, dass ihr Sexleben sich neu entfalten kann – oft freier, entspannter und mit mehr Selbstbewusstsein. Nähe entsteht dabei nicht nur durch Sex, sondern auch durch Berührungen, Zärtlichkeit und Zeit zu zweit. 

Wie können Paare ihre Sexualität wiederentdecken, wenn sie in einer Krise stecken?

Wer die Sexualität wiederbeleben möchte, kann behutsam neue Wege gehen: mehr Zärtlichkeit, weniger Leistungsdruck, kleine sinnliche Rituale im Alltag. Und wenn man allein nicht weiterkommt: Eine Paar- oder Sexualtherapie kann helfen, alte Muster zu durchbrechen – und neue Lust zu entdecken. 

Wie können Paare lernen, Vertrauen wieder aufzubauen, nachdem es verletzt wurde?

Ein Vertrauensbruch – etwa durch Untreue – erschüttert vieles. Doch wenn beide es wirklich wollen, lässt sich Vertrauen wieder aufbauen. Wichtig ist: Die Person, die verletzt hat, muss ehrlich Verantwortung übernehmen – ohne Ausreden, ohne Lügen. Nur wer bereit ist, sich wirklich zu öffnen, kann neues Vertrauen schaffen. 

Die verletzte Person braucht Zeit. Wut, Traurigkeit, Misstrauen – all das darf sein. Redet offen darüber, wie es euch geht und was ihr braucht, um sich wieder sicher zu fühlen. Manchmal hilft auch eine klare Absprache: Was geht ab jetzt? Was nicht mehr? Welche Regeln gelten? 

Und: Vertrauen wächst nicht durch große Versprechen – sondern durch kleine, verlässliche Taten im Alltag. Ein liebevoller Blick, Pünktlichkeit, ein ehrliches "ich bin für dich da". Schritt für Schritt kann so wieder Nähe entstehen. Und manchmal – mit viel Geduld – sogar eine tiefere Verbindung als vorher. 

4. Beziehungsarbeit & Alltag 

Was rätst du Paaren, die sehr unterschiedlich an ihrer Beziehung arbeiten wollen – einer viel, der andere wenig? 

Wenn eine*r alles versucht und die oder der andere kaum mitzieht, entsteht ein Ungleichgewicht, das auf Dauer zermürbt. Es fühlt sich an, als würde man die ganze Beziehung allein tragen. Wichtig ist, das offen anzusprechen – ohne Vorwürfe. Sag, was dir fehlt und was du dir wünschst. Auch Fragen wie: "Was brauchst du, um dich mir wieder näher zu fühlen?" können helfen, wieder ins Gespräch zu kommen. 

Und klar ist auch: Nähe, Zuhören, Mitgefühl – das sind keine Sonderaufgaben. Das braucht es von beiden Seiten. Wenn sich daran nichts ändert, lohnt es sich auch dann, gemeinsam Unterstützung zu suchen – zum Beispiel in einer Paarberatung. Denn eine Beziehung kann nur dann heilen, wenn beide bereit sind, etwas dafür zu tun. 

5. Abstand, zweite Chance & Neustart 

Kann ein vorübergehender Abstand tatsächlich helfen, eine Beziehung zu retten – und wenn ja, unter welchen Bedingungen?

Ja, Abstand kann manchmal genau das schaffen, was im ständigen Miteinander nicht mehr möglich ist: Klarheit, Luft holen, Gedanken sortieren. Aber er funktioniert nur, wenn beide wissen, wofür. Wenn die Zeit bewusst genutzt wird – nicht zum Weglaufen, sondern zur ehrlichen Selbstreflexion. 

Wichtig ist, dass es klare Absprachen gibt: wie lange? Kontakt ja oder nein? Was soll jede*r in dieser Zeit für sich klären? Wer diese Phase nutzt, um an sich selbst zu arbeiten, kann danach oft mit einem neuen Blick auf die Beziehung zurückkehren. 

Abstand kann helfen, wenn er bewusst gewählt und gemeinsam getragen wird – nicht als Flucht, sondern als Chance. 

Was sind die Voraussetzungen, um einer Beziehung eine zweite Chance zu geben?

Eine zweite Chance macht nur Sinn, wenn beide sie wirklich wollen. Es reicht nicht, dass eine*r kämpft – eine Beziehung braucht zwei, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und an sich zu arbeiten. 

Das bedeutet: ehrlich hinschauen, eigene Fehler erkennen, offen sprechen und lernen, sich gegenseitig wieder zu vertrauen. Denn Beziehung ist keine Einbahnstraße – sie braucht zwei starke Säulen, um zu halten. Aber leider reicht oft schon einer, um sie einstürzen zu lassen. 

Wenn beide bereit sind, nicht nur die Vergangenheit aufzuarbeiten, sondern auch Neues zu wagen, kann aus einer zweiten Chance ein echter Neuanfang werden. 

6. Entscheidung: Kämpfen oder gehen? 

Welche Anzeichen können darauf hindeuten, dass es sich lohnt, um die Beziehung zu kämpfen?

Es lohnt sich, wenn beide wirklich noch wollen. Wenn dein Gegenüber trotz aller Schwierigkeiten nicht aufgibt, mit dir redet, zuhört und zeigt: "Du bist mir wichtig." Wenn noch Respekt da ist, Vertrauen, gemeinsame Erinnerungen – und das ehrliche Gefühl, dass es zwischen all dem Chaos noch etwas gibt, das trägt. 

Auch kleine Zeichen zählen: dass man sich umeinander sorgt, miteinander lachen kann oder sich trotz allem noch nahefühlt. Eine Beziehung ist nie perfekt – aber wenn beide bereit sind, dafür zu kämpfen, kann aus der Krise ein neuer Anfang entstehen. 

Wann ist es besser, loszulassen? 

Wenn nur noch du etwas für die Beziehung tust. Wenn Worten keine Taten folgen, Gespräche immer gleich enden – und dein Gegenüber sich nicht bewegt. Vor allem, wenn du dich innerlich immer kleiner machst, anpasst, zurücknimmst, nur um den Frieden zu halten – und sich dabei selbst verlierst. Dann ist das kein Miteinander mehr, sondern ein Ungleichgewicht, das auf Dauer erschöpft. In solchen Fällen gilt: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Denn eine Beziehung darf Kraft kosten – aber sie muss auch Kraft geben. Wenn das dauerhaft fehlt, ist loslassen kein Aufgeben, sondern Selbstachtung. 

Welche Kriterien helfen dabei, die Entscheidung "Beziehung retten oder beenden" zu treffen?

In einer Beziehungskrise hilft es oft, sich die Dinge einmal schwarz auf weiß anzusehen – ohne Schönreden, ohne Drama. Diese Kriterien können bei der Entscheidung helfen: 

Beziehung eher retten, wenn... Beziehung eher beenden, wenn...
beide es wirklich wollen  nur du dich bemühst
noch Nähe, Respekt oder Vertrautheit spürbar ist Vertrauen dauerhaft zerstört ist 
offen über Probleme gesprochen wird Gespräche immer wieder ins Leere führen
Bereitschaft zur Veränderung auf beiden Seiten da ist – und gelebt wird nur eine*r Veränderungswillen zeigt – die oder der andere weiter macht wie bisher
gemeinsame Werte und Ziele noch vorhanden sind Werte und Lebensziele sich stark auseinanderentwickelt haben

 

  • LesetippLoslassen lernen – so befreist du dich endlich von deiner Ex-Beziehung

Noch ein Ratschlag: Schreib dir deine eigene Pro- und Contra-Liste: Was spricht fürs Bleiben – und was fürs Gehen? Diese einfache Übung kann oft mehr Klarheit bringen als stundenlanges Grübeln. 

Und etwas Wichtiges zum Schluss: 
Wenn du innerlich längst abgeschlossen hast, keine Zukunft mehr siehst und spürst, dass du einfach nicht mehr willst – dann sei ehrlich. Auch wenn dein Gegenüber sich noch Mühe gibt oder unbedingt die Beziehung retten möchte: Sie sollte nicht aus Schuldgefühl weitergeführt werden. Das verletzt am Ende beide – oft mehr, als ein klarer, ehrlicher Abschied es je könnte.  

→ Mehr über unsere Expertin erfährst du auf der Website von Katharina Samoylova: Beziehungscoaching für eine gesunde und erfüllende Beziehung.

Hat die Beziehung noch eine Chance? Trennen oder bleiben? Noch mehr Artikel zu diesen Themen findest du hier:

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