Wovor sich Paare fürchten

Die häufigsten Ängste in der Beziehung: Ein Experte erklärt, wie sie entstehen

Mann und Frau umarmen sich. Frau sieht unglücklich aus.
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Viele Ängste in der Beziehung entstehen heute durch die Mediennutzung.

Die Sorge vor Einsamkeit und eine immer schlummernde Verlustangst sind keine Seltenheit in einer Partnerschaft. Die uns präsentierten Idealbilder erzeugen einen Erwartungsdruck. Sie lassen uns an unserem Selbstwert und schließlich auch an unserer Beziehung zweifeln.

Hast du auch schon mal gegrübelt, ob deine Partnerin oder dein Partner dich noch attraktiv findet? Ob sie/er sexuell zufrieden ist oder dir vielleicht sogar fremdgeht? Diese Gedanken sind in einer Partnerschaft nicht selten. Denn – so paradox es auch klingen mag – die meisten Beziehungsängste werden durch Liebe ausgelöst. Dabei soll uns die Partnerin oder der Partner doch Sicherheit, Geborgenheit und Zufriedenheit geben. Doch Ängste in der Beziehung werden immer mehr zum Thema. Welche sind das und wo kommen sie her?

Angst vor der Liebe: Wenn Menschen emotional nicht verfügbar sind

Zusammen mit Paarberater Eric Hegmann, der in seiner Modern Love School viele Online-Kurse rund um Beziehungsthemen anbietet, geht BILD der FRAU den Ängsten in einer Beziehung auf die Spur.

Ängste in der Beziehung: Wo sie herkommen und wie sie entstehen

Laut der ElitePartner-Studie "So liebt Deutschland", in der mehr als 3700 Liierte zu Ängsten in ihrer Beziehung befragt wurden, zeigte sich interessanterweise, dass die Ursachen vor allem in der eigenen Unsicherheit und einem Mangel an Selbstwertgefühl liegen.

ElitePartner fasst zusammen: "84 Prozent der Paare in Deutschland sind mit ihrer Beziehung zufrieden. Sorgenfrei sind sie offenbar trotzdem nicht (...)." Die zentralsten Ängste sind sexuelle Unzufriedenheit sowie schwindende Attraktivität und Liebe.

Obwohl die Ergebnisse zeigen, dass Frauen in einer Partnerschaft deutlich verunsicherter sind, bleiben Männer keineswegs sorgenfrei. Jede vierte Frau und jeder dritte Mann fürchten sich davor, verlassen zu werden. Lies im Folgenden mehr über die häufigsten Beziehungsängste und ihre Ursachen.

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Sich unsicher fühlen, als nicht genügend empfinden: Das macht vielen Partner*innen zu schaffen.

1. Schlechter Sex: Angst ist ein Lustkiller

Laut der Studie machen sich Frauen und Männer am meisten Sorgen über das Sexleben. Die Hälfte aller Befragten hat – zumindest manchmal – Angst vor der sexuellen Unzufriedenheit der Partnerin oder des Partners – Frauen sind dabei verunsicherter als Männer (59 gegenüber 50 Prozent). Die Unsicherheit wird oft mit der Versagensangst erklärt.

Das Problem: Die Angst davor, beim Sex zu "versagen", ist erst Recht ein Lustkiller und kann sich auf die Leidenschaft und Intimität auswirken. Verbunden damit ist auch die Angst vorm Fremdgehen des Partners bzw. der Partnerin – darüber machen sich 38 Prozent der Frauen und 26 Prozent der Männer Sorgen.

Sex wird in den Medien mehr denn je verhandelt, verlässt immer mehr den Tabubereich – und das ist auch gut so. Das Problem ist dabei jedoch, dass über Sex i. d. R. nur aus einer Perspektive gesprochen wird – und zwar was "guten, freien, aufregenden" Sex ausmacht und welche Sexstellungen am beliebtesten sind.

Diese Einseitigkeit der befreiten Sexualität vermittelt ein Idealbild, das ziemlich verunsichern und Scham auslösen kann. Denn nicht alle sind bereit für die postulierte Grenzerfahrung im Bett. Gleichzeitig klafft eine große Kluft zwischen der öffentlich viel diskutierten Sexualität und den tatsächlichen Gesprächen mit der Partnerin oder dem Partner.

Paar-Therapeut Eric Hegmann | © Robert Hilton
Foto: Robert Hilton
Eric Hegmann, Paarberater aus Hamburg

Hinzu kommt auch noch die Verunsicherung hinsichtlich des eigenen Körperbildes, denn meist sind die Sex-Diskurse begleitet von Bildern, die Eric Hegmann als "Hochglanz-Pornografie" bezeichnet: "Diese sind heute jederzeit und überall verfügbar. Die Bilder scheinbar perfekter Körper vor gut ausgeleuchteter Kulisse gaukeln ein Idealbild von sexualisierter Körperlichkeit vor. Viele Menschen verinnerlichen diese und setzen sich unter Druck, um ihnen zu entsprechen."

Frauen und Männer sind da gleichermaßen betroffen. Auch Männer sehen sich ständig mit einem idealisierten, stereotypen Körperbild, das mit Sexappeal verbunden wird, konfrontiert. Hemmungen können die Folge sein, wenn "trendige" Sexpraktiken nicht mit dem eigenen Körperbild übereinstimmen.

Die Angst davor, dass der Sex nicht befriedigend genug ist, bleibt laut der ElitePartner-Studie auch im wachsenden Alter zentral. Das Online-Magazin "EDITION F" weist aber z. B. darauf hin, dass dies auch positiv bewertet werden kann, da diese Angst beweist, dass Sex im hohen Alter wichtig bleibt.

Lesetipp: Keine Lust mehr – wie wichtig ist sexuelle Zufriedenheit im Alter?

2. Sorge um nachlassende Attraktivität

Auf Platz zwei der häufigsten Ängste in der Beziehung ist die Sorge, dass der/die Partner*in einen nicht mehr attraktiv findet. Auch davon sind deutlich mehr Frauen als Männer verunsichert (58 gegenüber 41 Prozent), 13 Prozent der Frauen gaben sogar an, ihr Aussehen "häufig" kritisch zu hinterfragen.

Vor allem jüngere Paare machen sich über Äußerlichkeiten Gedanken – 61 Prozent der Liierten zwischen 18 und 29 Jahren verunsichert die Frage nach dem eigenen Aussehen. Interessanterweise nimmt die Angst vor der nachlassenden Attraktivität mit zunehmenden Alter ab. Trotzdem ist noch jede*r Dritte zwischen 50 und 59 Jahren von dieser Beziehungsangst betroffen, und auch bei 28 Prozent der 60- bis 69-Jährigen ist die Attraktivität Thema.

Obwohl im Studienergebnis-Katalog das steigende Selbstwertgefühl und Vertrauen mit zunehmenden Alter und Beziehungsjahren herausgestellt wird, ist es noch immer ein ziemlich hoher Anteil, dem die eigene Attraktivität Sorgen macht. Umso wichtiger ist es, dass Kataloge und Magazine anfangen, auf eine idealisierende Fotobearbeitung zu verzichten, um so den – nach wie vor – negativen Beiklang von Falten, Dehnungsstreifen, Cellulite, Pigmentflecken & Co verschwinden zu lassen.

Eric Hegmann verdeutlicht, wie eng die Angst vor schlechtem Sex und nachlassender Attraktivität zusammenhängen. Als Beispiel nimmt er die häufige Sorge, nicht mehr attraktiv zu sein, weil man weniger Sex hat als zu Beginn der Beziehung: "Weniger Sex ist normal, das tritt bei fast allen Paaren nach sechs bis zwölf Monaten auf, wenn die erste Verliebtheitsphase nachlässt. Der Körper produziert statt der für die euphorischen Gefühle zuständigen Hormone andere, die weniger für Leidenschaft als für Geborgenheit zuständig sind." Doch wer sagt eigentlich, wieviel Sex in einer Beziehung normal ist?

Hier liegt also eine Kluft zwischen unserer Biologie und der idealisierten Erwartungshaltung, dass die Sexlust nicht abnimmt. Eric Hegmann beschreibt das als Überromantisierung und unzureichendes Wissen: Weniger Sex wird nicht logisch erklärt, die Gründe dafür werden bei sich selbst gesucht, wodurch Zweifel und Ängste entstehen bzw. verfestigt werden – ein Teufelskreis ...

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Haben wir zu wenig Sex? Eine Frage, die viele Paare nach der ersten Verliebtheit umtreibt.

Zu den häufigsten Unsicherheiten innerhalb einer Beziehung gehören durchschnittlich außerdem die Angst, der/die Partner*in könnte einen nicht mehr lieben, die Sorge, dem/der Partner*in finanziell und intellektuell nicht genug bieten zu können und die Befürchtung, dass der/die Partner*in die eigene Familie bzw. die eigene Karriere über die Beziehung stellt. Auffällig ist auch bei diesen Beziehungsängsten, dass sie alle auf die Sätze "Ich genüge nicht" und "Ich bin es nicht wert" zurückgehen und die meisten Unsicherheiten bei überdurchschnittlich vielen Frauen zu beobachten sind.

3. Die Angst vor der Midlife-Crisis

Dass Männer aber auch nicht angstfrei sind, ist bereits deutlich geworden. Die Studie des Dating-Portals zeigt interessanterweise auch, dass insbesondere liierte Männer in den Dreißigern überdurchschnittlich von Sorgen, Zweifeln und Ängsten in der Beziehung geplagt sind. Auf den ersten Plätzen liegen auch hier die Angst vor unbefriedigendem Sex (61 Prozent) und mangelnder Attraktivität (52 Prozent).

Fast jeder zweite Mann zwischen 30 und 40 Jahren hat zudem Trennungsangst und fürchtet sich davor, dass der/die Partner*in einen nicht mehr lieben könnte. In diesem Alter stecken die meisten Menschen in einer Midlife-Crisis.

Bei Männern hoch im Sorgenkurs steht auch der Unterhaltungswert bzw. vielmehr, dass die Partnerin oder der Partner einen langweilig findet (47 Prozent). Eric Hegmann erklärt dazu: "Langeweile ist vor allem für jüngere Paare meist ein Gefühl der Bedrohung, weil die Aufgeregtheit der ersten Verliebtheit vergangen ist. Sie fürchten, Langeweile sei das Ende der Beziehung. Dabei kann das Gefühl auch die Phase von Vertrautheit und Commitment einläuten."

Sind wir noch gut genug?

Lisa Fischbach, Leiterin Forschung und Matchmaking bei ElitePartner, erklärt Ängste und Sorgen in der Partnerschaft mit der Stabilität, die heute ganz anders entwickelt wird als noch vor 50 Jahren. Dieser Stabilisierungsprozess wird von extrem hohen Erwartungen an die Beziehungsqualität beeinflusst, die sich durch die unterschiedlichsten Lebensbereiche zieht und zu verschiedenen Ängsten führt. Mehr Ansprüche führen also zu mehr Unsicherheiten.

Wir sind heute stets mit einer Bilderflut an "perfekten" Über-Paaren konfrontiert – ob in der Werbung oder den sozialen Netzwerken. Das Selbstwertgefühl wird dabei bewiesenermaßen beeinträchtigt. Die meisten Ängste in einer Beziehung fußen auf der Frage, ob wir gut genug sind, um geliebt zu werden. Die ermittelten Beziehungsängste gehen zurück auf Verlustängste, welche wiederrum durch das Dauergefühl, nicht perfekt zu sein, ausgelöst werden.

Der stetige Vergleich mit anderen verursacht einerseits den Anschein, dass es immer wieder etwas zu verbessern gibt, und andererseits den Wunsch nach einer dauerhaften Optimierung, um die Beziehung halten zu können. Denn, so der verunsicherte Gedankengang, warum sollte mich denn jemand wollen, wenn es doch Bessere gibt? Attraktivere, offenere, intelligentere, erfolgreichere etc. Konkurrenten und Konkurrentinnen scheinen überall die Beziehung zu bedrohen und eine Trennung wahrscheinlich zu machen.

Wahrscheinlich ist das beste Rezept, um diese Verlust- bzw. Beziehungsängste überwinden zu können, ein Gleichgewicht aus innigem Vertrauen zur Partnerin oder zum Partner sowie die eigene Arbeit am Selbstwertgefühl. "Je höher der Selbstwert ist, umso weniger bedroht fühlt man sich", meint Hegmann.

Wann die Angst nachlässt

Die meisten Beziehungsängste reduzieren sich mit höherem Alter und steigenden Beziehungsjahren. Bei Frischverliebten (Paare, die zwischen drei und zwölf Monaten zusammen sind) sind die Sorge, nicht attraktiv zu sein und nicht mehr geliebt zu werden, sowie die Trennungsangst besonders stark ausgeprägt.

Am Anfang sind vor allem die Ängste zentral, die mit Existenz der Beziehung verbunden sind. Obwohl die Angst vor schlechtem Sex erst nach drei bis fünf Beziehungsjahren ihren Höhepunkt erreicht, verringern sich die Unsicherheiten, je länger ein Paar zusammen ist. Für Eric Hegmann liegt das vor allem an der Beziehungserfahrung, durch die sich mehr Vertrauen und Stabilität in der Partnerschaft entwickelt hat.

Auch mit dem Alter schwinden die Unsicherheiten; der Beziehungsexperte macht auch auf einen ganz anderen Aspekt aufmerksam, denn normalerweise fällt die Internetnutzung heute bei Ü40ern anders aus als bei Menschen in den Zwanzigern. Viele Ängste werden heute vor allem durch die Mediennutzung am Leben erhalten. Bei älteren Jahrgängen haben sich gewisse Ängste in der Beziehung also nicht reduziert – es gab sie einfach noch gar nicht.

  • Während viele Menschen unter Verlustängsten leiden, nehmen auch Bindungsängste immer mehr zu – doch warum? Und können Betroffene dennoch eine Beziehung führen?
  • Liebe kennt keine Grenzen! Heutzutage steht ein großer Altersunterschied dem Liebesglück nicht mehr im Weg. Eine Paar-Expertin über ihre eigene Beziehung.
Quellen:
ElitePartner-Studie "So liebt Deutschland. Beziehungsängste, Dating-Trends und Sexhäufigkeit"
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