Faszination des Bösen

Warum Frauen sich auf "Bad Guys" einlassen

Ein Häftling in orangefarbenem Anzug telefoniert im Knast durch eine Glasscheibe getrennt mit einer Besucherin
© iStock.com / South_agency
Gefährlich, aber irgendwie auch anziehend... "Bad Boys" üben zumindest auf einige eine große Faszination aus. Warum das so ist, erklärt ein Beziehungsexperte.

Warum sind manche Frauen von "Bad Guys" so angetan? Warum üben Verbrecher eine solche Faszination auf sie aus? Ein Beziehungsexperte erklärt, woran das liegt.

Erinnerst du dich an Jeremy Meeks? Vor etwa sechs Jahren wurde der heute 36-Jährige mit seinem Polizeifoto berühmt. Seit seiner Entlassung arbeitet er erfolgreich als Model und kann sich vor Avancen kaum retten. Er gilt als "der schönste Verbrecher". Und genau deshalb scheint er auch so begehrt zu sein, denn offensichtlich stimmt die Mischung, wie Beziehungsexperte Eric Hegmann bestätigt: "Er ist das Paradebeispiel des attraktiven 'Bad Boy', der viele Frauen fasziniert."

Jeremy Meeks, US-amerikanisches Model und Schauspieler | © imago images / Future Image
Foto: imago images / Future Image
Traum vieler Frauen: Jeremy Meeks, der "heiße Häftling"

Bloß: Warum ist das so? Warum lassen sich Frauen auf "Bad Boys" ein, die im Zweifel das Gegenteil von dem verkörpern, wonach die meisten sich doch eigentlich sehnen: Treue, Verlässlichkeit, Vertrauen? BILD der FRAU hat bei Eric Hegmann nachgefragt. Der Paarberater und Parship-Coach bietet in seiner Modern Love School viele Online-Kurse rund um Beziehungsthemen an.

Warum Frauen sich auf "Bad Guys" einlassen: Interview mit einem Beziehungsexperten

BILD der FRAU: Was ist es, das Frauen an "Bad Guys" fasziniert?

Eric Hegmann: Auf viele Frauen üben Verbrecher, wenn wir sie mal so nennen wollen, eine sexuelle Faszination aus – für deutlich weniger Frauen geht die Faszination allerdings auch darüber hinaus. Der Fachbegriff heißt Hybristophilie und beschreibt die Faszination für tatsächlich straffällige Männer. Das Phänomen ist auch als Bonnie-und-Clyde-Syndrom bekannt, nach dem auch durch die Verfilmungen bekannten Gängsterpärchen.

Das Klischee kennt vor allem die Gefängniswärterin, die sich in einen Insassen verliebt. Ein Grund für die Faszination könnte sein, dass sie über den Mann direkt und indirekt Macht ausübt. Sie kontrolliert Besuchszeiten, sie sorgt für die Einhaltung eines streng geregelten Tagesablaufs. Es gibt keine Konkurrentinnen.

Paar-Therapeut Eric Hegmann | © Robert Hilton
Foto: Robert Hilton
Eric Hegmann, Paarberater und Parship-Coach aus Hamburg

Neben Einsamkeit, geringem Selbstwertgefühl, Gewalt und Missbrauchserfahrungen in der Kindheit sowie ausgeprägtem Helfersyndrom wird auch unbewusste Bindungsangst als möglicher Grund genannt, denn eine reale Beziehung ist meist unmöglich und auch nicht absehbar. So kann es niemals zu einem Beziehungsalltag kommen, der tatsächliche Nähe schaffen würde.

Frauen wollen die alleinige Bezugsperson sein, diejenigen, die den Mann als einzige verstehen

Aber es sind ja nicht nur Gefängniswärterinnen, die von "Bad Guys" angezogen werden...

Das stimmt: Häufiger als die Beziehung mit der Aufseherin ist, dass über Briefkontakte Beziehungen und sogar Ehen entstehen. Und so selten, wie man vielleicht denkt, ist das Phänomen nicht, denn die Zahl der Liebesbriefe, die prominente Mörder und Verbrecher erhalten, ist groß.

In diesen Fällen scheinen die Frauen den Eindruck zu gewinnen, sie alleine würden den Mann und seine Beweggründe verstehen und wären dessen einzige Bezugsperson. Die Vermutung liegt nahe, dass die Faszination für Kriminelle auch hier mit einem verletzten Selbstwert einhergeht, der eine Stärkung erfährt, weil die Frau nun eine besondere, herausragende Rolle in einer gesellschaftlich mehrheitlich abgelehnten Verbindung spielt.

Expert*innen unterscheiden übrigens zwischen Frauen, die Straffällige wegen ihrer kriminellen Handlungen sexuell anziehend finden, also solche, von denen wir hier reden, und jenen, die sich mit ihnen an kriminellen Handlungen beteiligen.

Dabei heißt es doch immer, Frauen träumen vom gemeinsamen Heim, ewiger Liebe, Treue...

Tja. wann sind "Bad Boys" faszinierend und wann nicht? Fehlende Manieren findet eigentlich fast jede zweite Frau "zum Weglaufen". Aber: Die sexuelle Spannung, die von einem "Bad Boy" ausgeht, spricht eben auch jene Frauen an, die von solchen Kerlen in der Realität die Finger lassen. Wunsch, Fantasie und Wirklichkeit gehen hier weit auseinander. Wenn es um eine Beziehung geht, wünschen sich zwei Drittel der Frauen tatsächlich einen fürsorglichen, ehrlichen und treuen Partner. Der "Bad Boy" ist also ideal für eine Affäre, weniger passend für die Familiengründung.

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Sexuelle Anziehungskraft steht eher im Vordergrund, nicht Verliebtsein

Die Gründe sind vielfältig, aber sie haben selten etwas mit rationalen Entscheidungen zu tun. Dass "Bad Boys" eher zerbrochene Herzen im Schlafzimmer zurücklassen, ist den Frauen natürlich bekannt; häufig haben sie das ja auch bereits mehrfach erlebt. Ob Verlieben auch in jedem dieser Fälle die passende Beschreibung ist? Sexuelle Anziehungskraft wird vermutlich häufiger stimmen.

Eine Affäre mit einem "Bad Boy" wird meist sehr intensiv erlebt (und nach der Affäre vielleicht erlitten). Erst wenn daraus ein erfolgloses Muster der Partnerwahl zu erkennen ist ("ich gerate immer an die Falschen!"), drohen Enttäuschung, Verlust von Selbstwertgefühl und Frust. Da muss sich die ein oder andere Frau sicher auch fragen, ob sie nicht bewusst "Bad Boys" wählt, um eine dauerhafte Bindung zu vermeiden.

Kann sich ein "Bad Guy" nicht auch ändern? Nicht zuletzt durch eine Beziehung?

Natürlich kann jeder Mann, wenn die Motivation und der eigene Antrieb ausreichend sind, seine Handlungen an die Wünsche der Partnerin anpassen. Doch ist ein gezähmter "Bad Boy" ein besserer Partner als ein authentischer "Good Guy"? Dauerhaft vermutlich nicht. Einen Vorteil hat es jedoch, nicht zu schnell aufzugeben: Mit zunehmendem Alter werden auch "Bad Boys" ruhiger. Darauf aber besser nicht spekulieren! Denn dann verlieren die "Bad Boys" mit der Zeit an Faszination. Und wer dann den gezähmten "Bad Boy" gleich wieder gegen einen neuen austauscht, ist ja vielleicht auch ein "Bad Girl"...

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Sexuelle Attraktivität in Beziehungen

Tja, es ist so eine Sache mit der Beziehung: Schließlich gibt es neben den "Bad Boys" auch noch einige, die unter Bindungsangst  oder krankhafter Eifersucht leiden – und dann trotzdem noch den den Richtigen finden, ohne dass es eine reine Vernunftbeziehung ist? Dennoch: nicht aufgeben, aber auch nicht suchen. Dann wird's noch was mit der großen Liebe.

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