Sex? Och nöö... Was tun, wenn die Attraktivität in der Beziehung nachlässt?
Es zieht Sie buchstäblich nicht mehr so richtig zu Ihrer Partnerin? Der Partner gibt sich aber auch nicht mehr so richtig Mühe? Was Sie tun können, wenn Sie Ihre bessere Hälfte (sexuell) nicht mehr attraktiv finden, erklärt ein Experte.
Dem Schatz für immer in Liebe zugetan... In den wenigsten Beziehungen bleibt es so wunderbar harmonisch, rosarot und auch erotisch wie in den Anfängen. Diese Tatsache ist so schade wie unumstößlich. Nun sind Paaren aber nicht die Hände gebunden, was das angeht: Schließlich kann jede*r das eigene Schicksal und die Qualität der Partnerschaft selbst in die Hand nehmen, alle können etwas dafür tun, dass die Beziehung nicht den Bach runtergeht.
Aber was ist, wenn man die bessere Hälfte nicht mehr so richtig attraktiv findet, auch sexuell? Ist die Beziehung dann zum Scheitern verurteilt? Waren die Bemühungen nicht ausreichend? Was sind die Ursachen? Mit BILD der FRAU hat Partnerschafts-Experte Eric Hegmann über das Thema (sexuelle) Unattraktivität in der Beziehung gesprochen. Der Parship-Coach kennt die Problematik aus seiner Arbeit als Paarberater und Betreiber der Modern Love School, wo er zahlreiche Online-Kurse rund um Beziehungsthemen anbietet.
Die/den Partner*in (sexuell) nicht mehr attraktiv finden: Was ist los?
BILD der FRAU: Stimmt mit mir etwas nicht, wenn ich meiner*m Partner*in nicht mehr wirklich nahe kommen will?
Eric Hegmann: Zunächst einmal sind sexuelle Gefühle für den Partner oder die Partnerin Schwankungen unterworfen. Eine Klientin sagte einmal in der Paartherapie: "Natürlich begehre ich meinen Mann. Aber doch nicht immer." Was sie damit ausdrücken wollte: Da ist eine ganz feste Basis von sexueller Anziehungskraft, aber es gibt sehr wohl Momente, in denen andere Bedürfnisse und Gefühle dominieren. Es gibt Situationen und Umstände, in denen ist jemand gestresst oder genervt, da ist kein Raum für Begehren. Und je länger eine Beziehung andauert, umso wahrscheinlicher ist – statistisch gesehen –, dass es beiden Partner*innen immer schwerer fällt, vom gemeinsamen Alltag in einen "erotischen Raum" zu wechseln. Deshalb rate ich bei dem Verlust von sexueller Anziehungskraft: Nicht in Panik verfallen, sondern auch einen Blick auf die Umstände werfen. Was hat sich verändert? Mein*e Partner*in? Ich? Wir beide? Die Situation, in der wir als Paar leben?
Ist immer nur eine*r schuld an diesem Dilemma?
Sexuelle Anziehungskraft ist eine Dynamik. Fühlt sich jemand nicht begehrt, sinkt auch das eigene Verlangen. Wenn die Partnerin oder der Partner also aufgehört hat, Intimität zu initiieren, verliert sie oder er rasch ebenso an sexueller Anziehungskraft. Ganz unabhängig davon, wie attraktiv er oder sie immer noch ist. Zurückweisungen killen Lust ebenso gründlich. Wer immer wieder vergeblich verführen möchte und einen Korb erhält, kann oft gar nicht anders als sich selbst zu bestätigen, dass die andere Person ja auch gar nicht mehr so sexy wäre – das ist reiner Selbstschutz, um in Zukunft nicht weiterhin Ablehnung und Angriffe auf den Selbstwert ertragen zu müssen. Ein oftmals unbewusster Abwehrmechanismus.
Sex ist auch Kommunikation. Intime Begegnungen sichern die Verbindung. Berührungen sagen: Du bist okay, ich mag dich anfassen, ich mag dir nahe sein. Fällt das Bedürfnis weg, diese Zuneigung dem anderen zu zeigen, gerät die Partnerschaft meist in eine Schieflage. Nach meiner Erfahrung geschieht es eher selten, dass in einer Beziehung beiden gleichzeitig und in gleichem Maße das Verlangen verloren geht. Eine*r wird sich also zwangsläufig häufiger nicht mehr gesehen und begehrt fühlen, und eine solche unsichere Verbindung sorgt in der Folge immer dafür, dass Konflikte rasch eskalieren oder unlösbar scheinen.
Bei Konflikten geht es immer um die emotionale Ebene
Sind es Konflikte und Streitereien, die die Erotik auffressen?
Viele Paare denken, es wären die Konflikte, die ihre Sexualität belasten. Oberflächlich gesehen ist das auch häufig so. Der Gedanke dahinter: Wenn wir uns so streiten, dann kann ich nicht mit dir intim sein und Nähe zulassen. Beim genauen Blick ist aber nahezu immer der Streit überhaupt erst entstanden, weil ein*e Partner*in, häufig nach kurzer Zeit dann beide, tief im Inneren Furcht vor einer immer größer werdenden Distanz erlebt haben und die Verbindung in Frage stellten.
Bei Konflikten, die eskalieren, geht es nie um die Sachebene, sondern immer um die emotionale Ebene: Kann ich mich auf dich verlassen? Bist du der richtige, wenn du anderer Meinung bist? Haben wir eine Chance als Paar, wenn wir so unterschiedlich sind? Es ist im Gegenteil sogar so, dass bei dem Gefühl von emotionaler Nähe und sicherer Bindung alle Sachthemen einfach verhandelt werden können. Eine lebendige und befriedigende Sexualität ist für viele Paare DAS Zeichen einer sicheren Bindung.
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Sich gehen zu lassen signalisiert, dass man es nicht ernst meint
Was, wenn sich mein*e Partner*in tatsächlich zum Negativen verändert hat, auch äußerlich?
Wenn die/der Partner*in sich gehen lässt und deshalb die sexuelle Anziehungskraft schwindet, dann ist Zeit für ein klärendes Gespräch. Niemand hört gerne, das man nicht mehr so attraktiv ist wie damals, aber gleichzeitig dürfen Partner*innen auch erwarten, dass die/der andere sich bemüht. Engagement ist schließlich ein Zeichen dafür, dass man es ernst meint, dass man weiterhin in die Liebe investieren möchte.
Allerdings ist mein Eindruck, es ist oft nicht wirklich die körperliche Veränderung, die als weniger attraktiv erlebt wird, sondern das Gefühl, der andere würde sich nicht einmal mehr der/dem Partner*in zuliebe etwas Mühe geben. Auch dieser Konflikt ist nur auf den ersten Blick ein Sachthema. In Wirklichkeit geht es auch hier um die emotionale und sichere Verbindung, die in Frage gestellt wird durch das Verhalten (oder Gehenlassen) des Gegenübers.
Gilt das auch für die sexuelle Ebene?
Ein anderer Blick wäre fokussiert auf die sexuellen Bedürfnisse der Partner*innen. Wo sind Wünsche und Fantasien, die nicht erfüllt werden, und warum? Sexuelle Attraktivität hat auch mit Erleben zu tun. Werde ich immer wieder enttäuscht, weil meine Wünsche nicht befriedigt werden? Dann erscheint in der Folge natürlich die/der Partner*in immer weniger attraktiv. Langeweile schleicht sich oft heimlich in Beziehungen ein. Viele Paare setzen irgendwann nur noch um, was beide gut finden. Manchmal ist das nur eine winzige Schnittmenge.
Nicht reden, um nichts schlimmer zu machen? Auf keinen Fall!
In der Folge gibt es außerhalb dieser Schnittmenge ein gewaltiges Repertoire aus unerfüllten Wünschen, die meist gar nicht kommuniziert und ausgespart werden. Vielleicht aus den besten Gründen: um nur keinen weiteren Konflikt in eine sowieso schon angespannte Situation zu bringen und so alles zu verschlimmern oder zu eskalieren. Genau das aber verhindert die Erfüllung und verstärkt den Frust. Der kleinste gemeinsame Nenner ist irgendwann langweilig und uninteressant. Und die/der Partner*in sexuell nicht mehr attraktiv.
Wie kommen Paare aus dieser Situation heraus?
Die Lösung besteht aus Gesprächen über Bedürfnisse und Wünsche und Fantasien. Paare, die diese Gespräche nicht führen können, sollten sich Unterstützung suchen, um diese zu führen. Denn sie müssen geführt werden. Im Rahmen einer Paar- und/oder Sexualtherapie beispielsweise.
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Kann auch zum Problem in einer Beziehung werden: Wenn eine Person mehr liebt als die andere.