Hell on Earth & Flying Monkeys: Trennungshorror und Rosenkrieg

Das Phänomen Hell on Earth & Flying Monkeys bezeichnet Ex-Partner*innen, die nicht loslassen können und über Drittpersonen Kontakt suchen. Was du dann tun kannst.
Menschen mit ängstlichem Bindungsverhalten, das oft von schmerzhaften Beziehungserfahrungen rührt, wählen vermehrt vermeintlich stark wirkende Partner*innen zum Ausgleich. Doch diese erweisen sich sehr häufig als Personen mit geringem Selbstwert, die sich nur stark geben, um Anerkennung zu erhalten. In der Folge zerbrechen solche Beziehungen rasch und lassen zutiefst enttäuschte Menschen zurück, die sich immer schwerer tun, Vertrauen zu fassen und Nähe zuzulassen aus Furcht vor neuen Verletzungen. Um aus diesem Kreislauf auszubrechen, ist häufig eine psychologische Begleitung oder auch therapeutische Aufarbeitung anzuraten.
Paarberater Eric Hegmann kennt sich mit der Thematik bestens aus. Für BILD der FRAU hat der Experte die wichtigsten Warnzeichen während der Dating- und Beziehungsphasen in der heutigen Gesellschaft zusammengestellt. In einer Serie erklärt er sie und sagt, wer so etwas macht, wer betroffen ist – und wie man sich schützen kann.

Warnzeichen beim Kennenlernen – Teil 4: Hell on Earth & Flying Monkeys
Trennungen sind immer schmerzhaft, doch bei starker Verlust- oder Bindungsangst sind exzessive Rosenkriege besonders häufig. Da geht es um Rache und Vergeltung, um üble Nachrede bei Freund*innen und Familienmitgliedern, um Sachbeschädigung, um Telefonterror, gehackte E-Mail-Accounts, Identitäts-Diebstahl und Stalking bis hin zu körperlicher Gewalt.
Betroffene können ohne traumatherapeutische Behandlung häufig kein Vertrauen und keine Nähe mehr zulassen. Sie werden beispielsweise auf sozialen Medien oder auch über gemeinsame Freund*innen verfolgt.
Die "fliegenden Affen" (Flying Monkeys) der Hexe aus dem Zauberland Oz waren Namensvetter für dieses Phänomen. Es beschreibt, wie der Kontakt zu verlassenen Partner*innen über Drittpersonen oder aber heute auch über soziale Medien aufrecht erhalten wird. (Anm. d. Red: Die Drittpersonen oder die sozialen Medien sind dabei die "Flying Monkeys", die Handlanger*innen des Narzissten.)
So ist ein Abschließen schwer möglich, außerdem können sich Partner*innen so immer wieder in Erinnerung bringen. Typisch ist das Kommentieren von Facebook-Einträgen oder Pinterest-Postings. Diese Phase ist meist nur das Vorprogramm von Hoovering.
Tipp: Brich den Kontakt vollständig ab und blockiere lieber eine Person mehr als zu wenig in deinen sozialen Medien. Suche dir unbedingt Unterstützung und Schutz, wenn du nicht alleine zurechtkommst mit der Trennung und fürchtest, möglichen Angriffen der Ex-Partnerin bzw. des Ex-Partners ausgesetzt zu werden.
Hell on Earth & Flying Monkeys: Wen kann es treffen?
Alle. Darauf hat man selbst keinen oder nur wenig Einfluss, außer die Trennungsgründe sind vorsätzlich verursacht worden, weil ein*e Partner*in die/den anderen beispielsweise über längere Zeit betrogen hat.

Hell on Earth & Flying Monkeys: Wer macht so was?
Nicht nur Männer, aber doch häufiger als Frauen, die bereits eine grundsätzliche Veranlagung zu Aggression haben oder besonders nachtragend sind. Manchmal handelt es sich auch um Menschen, die nicht loslassen können und sich an jeden noch so kleinen Funken Hoffnung klammern, um wieder zur Ex-Partnerin oder zum Ex-Partner zurückzukehren. Lange, leidvolle Trennungen voller Racheaktionen zeugen davon, dass die Verlassenen den Eindruck haben, sie würden das Gesicht verlieren durch die Trennung.
Rache ist immer ein Zeichen von einem verletzten Selbstwert bei Personen, die nicht damit zurechtkommen, dass ihnen Grenzen gesetzt werden. Solche Menschen müssen sich erhöhen, um mit sich selbst zurecht zu kommen. Dafür versuchen sie, Macht über den anderen zu erlangen und sich so wieder "wertvoll" zu fühlen.
Hell on Earth & Flying Monkeys: Wie kann man sich schützen?
Ist dir bewusst, dass dein*e (Ex-)Partner*in aggressiv oder nachtragend ist, schützt du dich, indem du den Kontakt vollständig abbrichst. Vermeide eine Trennung ohne jegliche Angabe von Gründen. Dann haben weder Flying Monkeys noch Hell on Earth eine Chance, denn sonst verlängert sich die Trennungsphase deutlich. Sage unmissverständlich, welche Standards, die du an eine Beziehung hast, verletzt wurden – und dass du dir auch in Zukunft keine Beziehung vorstellen kannst.
Warnzeichen in Beziehungsphasen: Interview mit Eric Hegmann, Teil 2
Im ausführlichen Interview mit Paartherapeut Eric Hegmann geht es darum, welche Menschen zu Bindungsangst-Symptomen neigen, welche sich als Partner*innen darauf einlassen – und wie sie sich schützen können.
BILD der Frau: Lieber Herr Hegmann, welchen Einfluss haben die Medien, die neuen Kommunikationswege, Anteil an diesen Phänomenen?
Ich kann dazu keine repräsentative Studie nennen und meine Klient*innen sind nicht repräsentativ, da sie ja wegen eines Problems bei mir sind, die anderen kommen ja nicht – aber mein Eindruck ist durchaus, dass viele Singles heute Verlust- und Bindungsangst stärker beschäftigt als noch vor zehn Jahren. Aber ich erfahre von Betroffenen auch außerhalb der Praxis in hoher Fallzahl über das Internet durch tägliche Zuschriften. Die überwältigende Mehrheit handelt von Vertrauensverlust und den Problemen, erneut wieder Vertrauen fassen zu können.
"Beziehungsunfähig" ist Unsinn
Ich halte den Begriff "beziehungsunfähig" für ziemlichen Unsinn. Es gibt sicher Menschen mit nicht allzu großem Beziehungspotential, aber wir sprechen ja nicht von aggressiven Schläger*innen und Betrüger*innen, sondern von Personen, deren Selbstwert in seiner Angst vor neuerlichen Verletzungen das Liebesglück sabotiert. Und dieser Selbstwert, das ist nun durch mehrere Studien belegt, wird durch soziale Medien gerade nicht gestärkt. Nehmen Sie diese glücklichen Paare auf Instagram, die Händchen haltend die schönsten Strände und Plätze der Erde bereisen und Hunderttausende Follower haben. Die sitzen gerade irgendwo, wollen sich kurz ablenken von ihrem Alltag, der sie stresst und auf andere Gedanken kommen und sind also nicht in der Verfassung, anderen Menschen alles Glück der Welt zu wünschen, sondern sie wünschen sich selbst ein Stück dieses Glücks. Das kann nur frustrieren, denn natürlich flüstert da eine Stimme: "Warum habe ich nicht, was die haben?" Und das Selbstwertgefühl erhält einen neuen Tritt.
"Disneyfizierung der Liebe"
Bücher, Filme und Serien sind heute so auf Erfolg gescriptet, dass Liebesbeziehungen keine Sekunde mehr realistisch dargestellt werden. Jede Szene muss dramaturgische Zwecke erfüllen. Da gibt es nicht das Schweigen nebeneinander auf dem Sofa nach einem langen Tag, nicht die Stunden Warten auf die nächste Textnachricht – kein Zuschauer würde dafür bezahlen. Diesen Effekt, die eigene Liebesbeziehung nach unrealistischen Vorbildern ausrichten zu wollen – und an dem Anspruch zu scheitern –, nenne ich die "Disneyfizierung der Liebe".
Zur Liebe gehört Mut, Vertrauen ist wieder erlernbar
Viele Singles wünschen sich die Partnerin oder den Partner, mit der oder dem all das Glück der Pinterest-Paare erlebbar wäre – am liebsten ein Leben lang. Eine falsche Partner*innen-Wahl ruiniert dieses Ziel. Kein Wunder, dass die Angst vor der falschen Wahl immer größer wird. Besonders wenn die Erfahrungen die Furcht noch weiter bestätigen. Zur Liebe gehört Mut. Genau das Gegenteil von Angst.
Kann man Vertrauen lernen?
Ganz viele meiner Beratungsanfragen entstammen einer Form von traumatisch erlebten Beziehungserfahrungen. "Ich kann nie wieder vertrauen" ist ein Satz, den viele Betroffene wie unveränderliches Schicksal verwenden. Doch das ist nicht richtig. Das lässt sich heilen!
Es gibt zahlreiche bewährte Methoden, sogar mit traumatischen Erlebnissen neu umgehen zu lernen und neue Glaubenssätze zu entwickeln. Beispielsweise ACT (Akzeptanz- und Commitment-Therapie) oder auch Ressourcenaktivierung mit EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) zeigen viel versprechende Erfolge.
Wenn Sie für sich erleben, dass Sie kein Vertrauen mehr entwickeln können, lassen Sie sich helfen. Warten Sie nicht, dass es von alleine besser wird – das wird es nicht! Und das Leben ist zu kurz, um es dabei zu belassen.
Fünf Indikatoren, dass eine Beziehung funktionieren wird
- Freundschaft: Glückliche Paare sind beste Freundinnen und Freunde, freuen sich über Gemeinsamkeiten, aber sie halten auch Unterschiede aus, erleben sie als Ergänzungen und fühlen sich durch die Andersartigkeit der Partnerin oder des Partners nicht bedroht.
- Umgang mit unlösbaren Konflikten: Etwa zwei Drittel aller Paarkonflikte lassen sich nicht durch einen Kompromiss lösen, der beide Partner*innen befriedigt. Jeder Wunsch ist ja zunächst gleichberechtigt. Es benötigt Respekt voreinander, um die eigenen Bedürfnisse nicht als wichtiger zu nehmen.
- Streitkultur: Angst vor Auseinandersetzung lähmt viele Partner*innen, dabei würde Offenheit viel mehr bringen. Um nichts zu riskieren, meiden viele Paare die Streitthemen, auf die es wirklich ankäme, und entfremden sich so immer mehr.
- Umgang auf Augenhöhe: Einer der apokalyptischen Reiter der Liebe ist die Abwertung. Geraten Paare in die Spirale gegenseitiger Verletzungen, kommen sie schlecht wieder raus. Augenhöhe bedeutet aber auch, nicht eine*n vermeintlich starke*n Partner*in meine Probleme lösen zu lassen.
- Mehr Intimität: Geschenke, gegenseitige Anerkennung, Lob, Achtsamkeit und Dankbarkeit füreinander sind wichtige Sprachen der Liebe, die Nähe und Bindung herstellen und damit auch Intimität. Alles in der Beziehung ist nämlich Vorspiel.
Teil 1 des Interviews mit Paartherapeut Eric Hegmann liest du im Artikel Gaslighting – das perfide Spiel mit deiner Wahrnehmung.
➔ Mehr Infos zu unserem Experten Eric Hegmann findest du hier.
Hier geht's zu weiteren Teilen der Serie:
- Warnzeichen in Beziehungsphasen – Teil 1: Love Bombing
- Warnzeichen in Beziehungsphasen – Teil 2: Fast Forwarding
- Warnzeichen in Beziehungsphasen – Teil 3: Gaslighting
- Warnzeichen in Beziehungsphasen – Teil 5: Hoovering
- Warnzeichen in Beziehungsphasen – Teil 6: Firedooring