Gleich & gleich vs. Gegensätze

Wie viele Unterschiede hält eine Beziehung aus?

Mann und Frau sehen sich leicht lächelnd, aber etwas skeptisch an, sie ist sehr leger gekleidet, er trägt einen Anzug. Die beiden stehen vor einer Betonwand.
© Getty Images / Westend61
Manchmal sind Partnerin und Partner so unterschiedlich, dass man sich fragt, wie das gutgehen kann – kann es überhaupt? Wir haben einen Experten gefragt.

"Die sind sich so ähnlich, die ticken genau gleich" – kennst du das, wenn das über Paare gesagt wird? Die Frage ist nur: Ist das eigentlich gut? Oder braucht eine Beziehung nicht auch die Unterschiede? Wir haben mit einem Experten darüber geredet.

Je unterschiedlicher, desto besser? Oder ist das Gegenteil der Fall: Können Partner*innen gar nicht ähnlich genug sein, damit die Beziehung nicht nur funktioniert, sondern auch glücklich verläuft? Schauspieler Jan Josef Liefers sagte einmal: "Der Satz 'Gegensätze ziehen sich an' trifft nach meiner Erfahrung nur vorübergehend zu." Hat seine Aussage das Zeug zur Allgemeingültigkeit?

Eric Hegmann hat mit diesem Thema oft zu tun: Der Paartherapeut in Hamburg mit eigener Praxis und Co-Gründer der Modern Love School, einer eLearning-Plattform mit Onlinekursen rund um die Liebe, wird in seinem beruflichen Alltag immer wieder damit konfrontiert. Im Interview mit BILD der FRAU verrät er, was denn nun stimmt.

Braucht eine Beziehung eher Gemeinsamkeiten oder Unterschiede bei Partner*innen?

Lieber Herr Hegmann, sind unterschiedliche Partner*innen gut für eine Beziehung? Oder sollten sich beide möglichst ähnlich sein?

Paar-Therapeut Eric Hegmann | © Robert Hilton
Foto: Robert Hilton
Eric Hegmann, Paarberater und Parship-Coach aus Hamburg

Eric Hegmann: Gleich und gleich gesellt sich gerne. Heißt es. Aber auch: Gegensätze ziehen sich an. Was stimmt denn nun? Beides. Das ist kein Weder-noch-, sondern ein Sowohl-als-auch-Ding.

Nach meiner Beobachtung braucht es vor allem Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten, damit Vertrauen und Sympathie entstehen. Vertrauen ist wichtig, um sich zu verlieben. Und Sympathie, um es später länger miteinander auszuhalten. Dann nämlich, wenn die Unterschiede im Alltag zu Tage treten.

Unterschiede sind anfangs durchaus sehr sexy. Ganz automatisch finden wir anziehend, was uns ergänzt. Nur sind Unterschiede auch fordernd. Und manchmal wirken sie sogar bedrohlich.

Heißt das, dass unterschiedliche Paare keine glücklichen Beziehungen führen können?

Nein, das heißt es nicht. Die gute Nachricht lautet also: Auch solche Paare können glücklich miteinander werden. Aber sie müssen dafür ihre Unterschiede als Ergänzungen erleben und sich vielleicht in den Momenten, in denen die Unterschiede eher als bedrohlich erlebt werden, auf die Gemeinsamkeiten besinnen: die gemeinsamen Werte, die gemeinsamen Erfahrungen, das gemeinsame Lachen.

Manche Menschen vermuten und hoffen, dass sie besonders glückliche Beziehungen führen werden, wenn Partnerin oder Partner ihnen ganz besonders ähnlich ist. In möglichst vielen Bereichen. Das erweist sich jedoch nach meiner Erfahrung rasch als Trugschluss.

Jede Person bringt ihre Stärken und Talente und natürlich auch Schwächen mit in eine Beziehung. Das kann man sich vorstellen wie einen Werkzeugkasten: in dem sind Werkzeuge, mit denen Partner*innen auf Konflikte, Probleme und Herausforderungen reagieren können. Die sammeln sich so an im Leben durch Erfahrungen.

Sind Partner*innen nun sehr gleich, haben sie in ihren Werkzeugkästen die gleichen Werkzeuge. Das ist gut, weil beide diese Werkzeuge benutzen können, wenn es nötig ist. Aber das ist schlecht, wenn Herausforderungen auftreten, für die beide nicht die passenden Werkzeuge besitzen.

Deshalb ist es sogar ziemlich hilfreich, wenn Partner*innen auch unterschiedliche Fähigkeiten und Erfahrungen erworben haben. Dann haben sie nämlich viel mehr Werkzeuge als Paar zur Verfügung. Um die nutzen zu können, müssen sie aber Vertrauen lernen. Vertrauen, dass die andere Person schon weiß, was sie macht, wenn sie ihr Werkzeug verwendet. Und die Bereitschaft, sich beeinflussen zu lassen und voneinander zu lernen.

Paartherapeut Eric Hegmann: Wie viele Unterschiede hält eine Beziehung aus? 

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Strategien, um mit Emotionen umzugehen: Gibt es da DIE eine?

Eine*r mag Tee, der oder die andere Kaffee: ein Unterschied, mit dem sich ja gut auskommen lässt. Aber was, wenn es um grundlegende Verhaltensweisen oder Persönlichkeitseigenschaften geht?

Ganz oft höre ich in der Praxis von Paaren Sätze wie: 'Ich bin ja eher der emotionale Teil unserer Beziehung. Und mein Partner ist so eher rational und gar nicht gefühlsbetont unterwegs. Da prallen wir natürlich aufeinander.'

Zunächst einmal möchte ich mit dem Unfug aufräumen, es gäbe gesunde Menschen, die keine Emotionen hätten. Richtig ist: Die gehen mit ihren Emotionen anders um. Die vermeintlich emotionalen neigen sehr oft dazu, ihre Emotionen über andere Menschen im Kontakt zu regulieren. Oder anders ausgedrückt: Sie lassen sie raus. Manchmal sofort. Manchmal ungefiltert. Das kann man so machen.

Die vermeintlich Rationalen haben meist gelernt oder sich angewöhnt, ihre Emotionen zu internalisieren und vielleicht zu rationalisieren. Das heißt, sie machen ihre Emotionen mit sich aus, sortieren ihre Gedanken, hinterfragen oder drücken ihre Emotionen weg – das heißt, sie regulieren sie selbst. Und auch das kann man so machen.

Ist nun eine Strategie besser?

Grundsätzlich sind alle diese Strategien gelernte Erfolgs- und Schutzstrategien. Die haben sich entwickelt, weil sie gut taten und sinnvoll waren. Das heißt: Keine Strategie ist per se falsch oder richtig, sie hat sich gefestigt, weil sie sinnvoll und erfolgreich war. Sonst hätte sich die niemand angewöhnt.

Nur: Keine Strategie, wirklich keine, ist in jeder Situation gleich erfolgreich. Es ist immer hilfreich, die eigenen Strategien zu überprüfen und nicht einfach auf Autopilot zu setzen, wenn es stressig wird, sondern zu hinterfragen: Welche Möglichkeit hätte ich denn noch? Was wäre denn jetzt im Moment eine gute Strategie?

Das Leben ist Veränderung. Auf Beziehungen wirken Veränderungen natürlich von außen und von innen durch die Partner*innen selbst ein. Und es wirkt manchmal ganz schön bedrohlich, wenn das gewohnte plötzlich – oder auch schleichend – ganz anders wird.

Es geht um Akzeptanz und Commitment, um Bindung und Differenzierung – um auf Augenhöhe verhandeln zu können, muss vor allem eines beendet werden: die Schuldfrage und die Schuldzuweisung. Niemand ist falsch, beide Partner*innen sind richtig. Erst wenn verinnerlicht ist, dass unterschiedliche Bedürfnisse dennoch gleichberechtigt sind (solange sie natürlich nicht vorsätzlich Schaden zufügen wollen), lässt sich als Team gemeinsam auf Veränderungen reagieren.

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Über diese Dinge solltet ihr in eurer Beziehung sprechen

Nicht zu gleich, nicht zu unterschiedlich – so lautet wohl die Formel, wie Menschen in einer Beziehung sein sollten. Was allerdings ganz wichtig für eine Beziehung ist: aus einem Zwist auch wieder rauszukommen. Dieser Satz lässt Beziehungsstreit meist verpuffen.

Und wie ist das: Wenn ein Paar schon länger als ein Vierteljahrhundert verheiratet ist, kann die beiden doch eigentlich nichts mehr auseinanderbringen, oder? Leider doch: Ein Experte nennt 3 häufige Gründe für ein Eheaus nach 25 Jahren.

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