Experte über Schmerzen im Fuß

Hallux valgus: Sind Flip-Flops ein Risiko? Das sagt ein Experte

Frau mit Fußschmerzen
© iStock/YakobchukOlena
Wer oft High Heels trägt, kennt sich mit Fußschmerzen garantiert aus! Ein Fußexperte sagt, warum hohe Schuhe zum Hallux valgus führen – und was du dagegen tun kannst.

Warum haben so viele Menschen Spreizfüße? Wann kommt es zum Hallux valgus, und was können wir dann tun? Ein Fußexperte spricht im Interview mit BILD der FRAU über Barfußlaufen und High Heels, was einen Ballenzeh verhindern kann – und wann eine OP unvermeidlich ist. 

Unsere Füße müssen unser ganzes Körpergewicht Tag für Tag durch die Gegend schleppen – das ist eine Menge Arbeit! Leider achten viele Menschen dennoch viel zu wenig auf ihre Füße – zumindest, was deren Gesundheit angeht. Die Folgen sind Schmerzen aller Art, ein weit verbreitetes Symptom ist der sogenannte Hallux valgus, auch Ballenzeh genannt.

BILD der FRAU hat mit Dr. Hubert Klauser, Orthopäde, Chirurg, Handchirurg, zert. Fußchirurg (GFFC) und Leiter des HAND- UND FUSSZENTRUM BERLIN / POTSDAM, über Füße und Schmerzen, Ursachen und Symptome gesprochen.

Experten-Interview zum Thema Fußschmerzen, falsches Schuhwerk, Hallux valgus und OP

Herr Dr. Klauser, was sind die häufigsten Ursachen für Fußschmerzen?

Dr. Hubert Klauser, Orthopäde, Chirurg, Handchirurg, zert. Fußchirurg (GFFC)  und Leiter des HAND- UND FUSSZENTRUM BERLIN / POTSDAM | © HFZ BERLIN
Foto: HFZ BERLIN
Dr. Hubert Klauser, Orthopäde, Chirurg, Handchirurg, zert. Fußchirurg (GFFC)  und Leiter des HAND- UND FUSSZENTRUM BERLIN / POTSDAM

Fehlstellungen oder Deformitäten der Füße. Dazu gehören der Platt- und Knick-, vor allem aber der Spreizfuß – er ist am weitesten verbreitet. Er entsteht, wenn das Quergewölbe im Vorfußbereich abflacht, weil es zu wenig muskuläre Spannung hat und der Fuß in der Folge in die Breite geht. Man spricht dann auch von einem durchgetretenen Fuß, sprich Spreizfuß.

Oft tut das dann im Vorderfuß weh, die Patientinnen und Patienten haben Schmerzen unterm Ballen – vor allem, wenn sie länger laufen.

Was machen wir falsch im täglichen Umgang mit unseren Füßen?

Wir laufen zu wenig barfuß – und zu viel auf hartem Untergrund. Ohne Schuhe muss der Fuß viel mehr arbeiten, er wird trainiert. Allerdings müssten wir dann viel mehr auf weichem oder unebenem Boden laufen.

Wir sollten mehr auf unsere Füße schauen und mehr mit ihnen machen. Immerhin tragen sie uns ein ganzes Leben lang. So viele Menschen gehen ins Fitness-Studio, trainieren alle möglichen Körperpartien, aber nie die Füße. Das ist schade, denn die Fußmuskeln brauchen genauso ihr Training.

Flip Flops sind ungesund? Unsinn!

Ist das Schuhwerk tatsächlich Hauptursache für den Hallux valgus?

Wir sind auf jeden Fall zu viel in festen Schuhen auf hartem Untergrund unterwegs, das führt oft zum Spreizfuß und damit auch zum Hallux valgus, ein häufig daraus resultierendes Symptom.

Viel besser als ihr Ruf sind Zehentrenner wie Flip-Flops, solange sie eine weiche Gummisohle haben: Man kann richtig sehen, wie die Zehen, wie die Füße arbeiten müssen, wenn man in solchen Schlappen läuft.

Ganz schlecht dagegen sind Ballerinas mit ganz dünner Sohle: Man läuft wie auf hartem Boden, aber noch nicht einmal barfuß. Aber auch spitze, enge Schuhe sind generell nicht gut. Und dann natürlich High Heels, bei denen die maximale Belastung auf dem Vorderfuß liegt.

Sind Frauen häufiger betroffen, gerade wegen High Heels?

Frauen sind tatsächlich häufiger betroffen, das stimmt. Das liegt schon auch an Schuhen mit hohen Absätzen, denn die bringen Füße in eine enorme Schieflage, Knochengewebe und Fettpolster verschieben sich, und das ganze Gewicht drückt auf die entstehende Wölbung unterhalb des großen Zehs.

Hinzu kommt, dass Frauen ein weicheres Bindegewebe haben als Männer – letztlich ist es eben auch Bindegewebsschwäche, die das Gewölbe im Vorderfuß einsinken lässt und zum Spreizfuß und dann oft zum Hallux valgus führt.

In welchem Alter tritt der Ballenzeh am häufigsten auf?

Da muss man zunächst unterscheiden: Der angeborene Hallux valgus tritt in den ersten Lebensjahren nach der Geburt auf, er kommt aber selten vor. Der erworbene tritt am häufigsten bei Menschen, mehrheitlich Frauen, ab etwa 45 bis 50 Jahren auf.

Dann gibt es nochmal eine leichte Zunahme bei etwa 70- bis 75 Jährigen, weil da Rheumatiker*innen hinzukommen, bei denen aufgrund ihrer Krankheit Fehlstellungen am Fuß verbreitet sind, darunter häufig Hallux valgus.

Operationen erfolgen heute im Schnitt früher als vor 20 Jahren

Vor rund 20 Jahren wurden überwiegend 60- bis 70-Jährige operiert, die gewartet haben, bis buchstäblich gar nichts mehr ging – heute kommen die Patient*innen früher, weil mehr auf die Füße geachtet wird, die OPs einfacher geworden sind und die Aufklärung besser funktioniert.

Kann der Hallux valgus aufgehalten werden –  oder sich gar zurückbilden?

Ganz weg geht ein Hallux valgus von selbst nicht mehr, aber man kann die Beschwerden im Anfangsstadium eindämmen und das Fortschreiten aufhalten. Sinnvoll sind dafür eine spezielle Physiotherapie, Einlagen in den Schuhen und – sozusagen paramedizinisch – auch Orthesen für die Nacht.

Wird der Ballenzeh schlimmer, wenn ich erst einmal abwarte?

Absolut, ja! Viele Patient*innen kommen erst, wenn der Hallux valgus schon eine deutliche Winkelfehlstellung hat, weil die Schmerzen bis dahin noch kaum spürbar oder zumindest auszuhalten waren.

Häufig kommen dann noch weitere Schwierigkeiten wie Krallen- oder Hammerzehen hinzu, die sich als Folge zusätzlich ausgebildet haben. Manchmal hat sich durch die Schiefstellung auch schon eine Arthrose entwickelt.

Schmerzen sind für OP nicht ausschlaggebend

Wann raten Sie zu einer OP?

Das ist pauschal schwer zu sagen: Ab einem bestimmten Winkelmaß rät ein Arzt in der Regel zu einer OP. Viel wichtiger ist aber: Entscheidend für eine Operation ist nicht, ob Betroffene Schmerzen haben! Häufig ist es dann schon ein reichlich später Zeitpunkt.

Und dann ist es oft schon sehr schwer, den Fuß wieder einigermaßen gerade hinzukriegen. In jedem Fall ist die OP deutlich schwieriger und aufwendiger, der anschließende Genesungsprozess langwieriger.

Und: Heutzutage werden für eine OP Schrauben verwendet, die sich auflösen. Sie sind sehr stabil und stimulieren durch ihren hohen Magnesiumgehalt zusätzlich das Knochenwachstum. Erfolgt eine OP sehr spät, kann es sein, dass Schrauben nicht mehr verwendet werden können, sondern eine Platte in den Fuß muss.

Kosten für eine OP werden immer übernommen

Werden die Kosten auch übernommen, wenn ich "nur" ein ästhetisches Problem mit dem Hallux valgus habe?

Ein Hallux valgus ist nie nur ein ästhetisches Problem, eine OP wird insofern immer von der Krankenkasse bezahlt – vorausgesetzt, die Ärztin bzw. der Arzt rät dazu.

Kann ein Hallux valgus wiederkommen?

Leider ja – die Ursachen sind ja auch genetisch bedingt, etwa die Bindegewebsschwäche, der Hallux valgus ist ja letztlich dann nur ein Symptom.

Haben Sie einen Tipp für unsere Leserinnen und Leser zum Thema?

Ja: Gehen Sie bitte rechtzeitig zu einer Fußspezialistin oder einem -spezialisten! Ich würde schätzen, dass rund 75 Prozent aller vom Hallux valgus Betroffenen zu spät vorstellig werden.

Es gibt heutzutage wirklich sehr gute Möglichkeiten, einen Hallux valgus in den Griff zu bekommen. Aber dafür müssen die Patient*innen rechtzeitig zur Stelle sein!

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