Macht meine Beziehung noch Sinn? Diese 3 ehrlichen Fragen entscheiden, ob du dich trennen solltest

Soll ich mich trennen? Kaum jemand hat über diese Frage nicht schon nachgedacht. Doch was bringt Menschen dazu, ernsthaft daran zu zweifeln, ob die Beziehung noch einen Sinn hat? Was bei der Entscheidung helfen kann, erklärt unser Experte.
Kennst du auch nur ein einziges Paar, das nicht irgendwann einmal eine zumindest mittelschwere Krise zu überwinden hatte? In fast allen Partnerschaften kommen Menschen irgendwann an den Punkt, an dem es gilt, Bilanz zu ziehen und sich ernsthaft die Frage zu stellen: Hat meine Beziehung überhaupt noch einen Sinn?
Es ist etwas, was auch Paarberater Eric Hegmann nicht selten zu hören bekommt. Der Beziehungsexperte, der in seiner Modern Love School viele Online-Kurse rund um Beziehungsthemen anbietet, spricht im Interview mit BILD der FRAU über die schwierige Frage, die Partner*innen sich gelegentlich stellen: Soll ich mich trennen oder doch bleiben?
Experten-Interview zum Thema "Trennen oder bleiben: Hat die Beziehung noch einen Sinn?"
BILD der FRAU: Lieber Herr Hegmann, warum kommt es zu der Überlegung, sich trennen zu wollen? Was sind die häufigsten Gründe?

Eric Hegmann: Das Leben ist zu kurz für eine Beziehung, die unglücklich macht. Deshalb gibt es ganz sicher Beziehungen, die besser beendet werden sollten. Doch bis zur Antwort auf die Frage "gehen oder bleiben" ist es meist ein langer Weg.
Hinter vielen Konflikten verbirgt sich zusammengefasst der Verlust von Nähe. Oft fehlt Partner*innen die Verbindung miteinander, sie fühlen sich für selbstverständlich genommen, wünschen sich mehr Aufmerksamkeit und Intimität. Affären und Untreue sind meist eine Folge der Distanz zwischen den Partner*innen, seltener der Wunsch nach mehr Befriedigung. Es geht eher darum, sich auch wieder in der Intimität wahrgenommen zu fühlen, begehrt zu wissen und nahe zu sein.
Nachlassende Beziehungszufriedenheit ist offensichtlich etwas, das tatsächlich häufig zu spät von den Partner*innen bemerkt wird. Statistisch gesehen handelt es sich dabei meist um die Männer, die unaufmerksam scheinen. Denn es sind in großer Mehrzahl die Frauen, die Beziehungen beenden und die Scheidung einreichen. Sie sind aber auch überwiegend diejenigen, die eine Paartherapie oder Paarberatung anstoßen.
Signale der Unzufriedenheit sind häufig eine Zunahme von Forderungen. Das zeigt sich beispielsweise in vielen Bitten und vermehrter Kritik. In der Folge kann es zu einem Rückzug der Partnerin oder des Partners kommen, dann ist sie oder er emotional nicht mehr erreichbar. Dieses Mauern ist jedoch häufig ein Zeichen, dass es bereits zu spät ist, dass die Bindung unterbrochen wurde.
Gehen oder bleiben? Drei Fragen, die bei der Entscheidung helfen
Sie sagen, es gibt drei Fragen, die man sich stellen sollte, wenn es darum geht, sich zu trennen oder nicht...?
- Hat meine Partnerin / mein Partner mir in schwierigen Zeiten geholfen?
Hilfsbereitschaft, gegenseitige Unterstützung und Anerkennung gehören nicht verhandelbar zur Liebe dazu. Grundsätzlich dürfen Menschen erwarten, dass Partnerin oder Partner ihnen zur Seite steht, die Ärmel hochkrempelt und bereit ist, mit anzupacken. Denn wer sich nicht aufeinander verlassen kann, verliert die Zuversicht, in Zukunft gehört und anerkannt zu werden.
- Hat meine Partnerin / mein Partner mich in schwierigen Zeiten alleingelassen?
Viele Menschen sagen, dass sie lieber ganz alleine leben würden, als sich alleingelassen zu fühlen in einer Beziehung. Denn sich hilflos und einsam zu fühlen in einer Beziehung, ist schrecklich. Es zerstört das Vertrauen in die Partnerin bzw. den Partner, wenn die oder der sich ab- statt zuwendet. Wer braucht eine Beziehung, die sich nur in schönen Worten und Absichtserklärungen verliert?
- Hat meine Partnerin / mein Partner mich in schwierige Zeiten gebracht?
Verantwortung trägt zunächst jede Person für sich – aber ebenso für die gemeinsame Beziehung. Jede Entscheidung muss nicht nur abgewogen werden, ob sie für einen selbst gut ist, sondern auch, ob sie womöglich der Partnerschaft schadet. Etwa, wenn eine*r von beiden eigenmächtig Schulden macht, für die beide haften müssen. Auch Missbrauch von Alkohol oder anderen Substanzen sind Vorboten von großen Problemen.
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Menschen gewöhnen sich an fast alles – sogar an unglückliche Beziehungen
Warum fällt eine Trennung so schwer? Was spielt dabei die größte Rolle?
- Zunächst ist Trennung evolutionär etwas, das bedrohlich wirkt. Wer früher ausgestoßen oder allein gelassen wurde, konnte nicht überleben. Entsprechend reagieren Menschen mit Schock und traumatischen Belastungsstörungen. Das will man weder sich noch der/dem ehemals geliebten Partner*in leichtfertig antun.
- Dann kommt es auf die Gesamtbilanz des Paares an: Ich erlebe in der Paarberatung häufig, beispielsweise wenn es um Untreue oder eine Affäre geht, dass sehr lange von den Partner*innen abgeglichen wird, ob nicht die guten Erfahrungen überwiegen und die gemeinsam erreichten Ziele wichtiger sein könnten als die Kränkung und der Betrug: Nicht nur gemeinsame Kinder oder geschaffener Besitz, auch gemeinsame Erlebnisse zählen dazu.
- Ein wichtiger Aspekt: die Gewöhnung an typische Beziehungsprobleme. Menschen passen sich schnell und gut an. Sogar in unglücklichen Beziehungen höre ich Partner*innen oft sagen: "Hier kenne ich die Probleme und weiß mit ihnen umzugehen, In einer neuen Beziehung tausche ich nur die Konflikte und muss neu lernen."
- Emotionale Abhängigkeit kann eine Rolle spielen, vielleicht sind die Betroffenen Ko-Abhängige in einer emotional abhängigen Beziehung – aber das lässt sich nur im Einzelfall beantworten. Jeder Einzelfall erzählt oft eine für Außenstehende ganz klare Botschaft: "Schluss machen! Schütze dich! Geh!" Aber warum die nicht bei den Betroffenen durchdringt, das ist sehr individuell.
- Existentielle Gründe: Eine Trennung kann Menschen teuer zu stehen kommen. Wie geht das Leben weiter, wenn aus einem Haushalt zwei werden? Wer zahlt das zweite Sofa, den zweiten Tisch, das zweite Bett? Die Person, die weniger verdient, steht vielleicht vor dem materiellen Nichts.
Ein letztlich positiver Aspekt ist die Hoffnung, dass sich der Konflikt (oder die Partnerin / der Partner) doch noch ändern würden. Solange die Partner*innen nicht zu lange zu vergeblich hoffen, ist das okay. Häufig ist diese Hoffnung jedoch schon so oft enttäuscht worden, dass das Abwarten nur noch zur Qual wird.
Eine Trennung zu vollziehen, obwohl man innerlich längst weiß, dass die Beziehung nicht mehr guttut – das fällt vielen schwerer, als Außenstehende oft glauben. Die Gründe dafür sind vielfältig und reichen von psychologischen Blockaden bis zu realen äußeren Umständen. Paartherapeut Eric Hegmann erläutert die wichtigsten Faktoren:
Evolutionäre Prägung
Trennung bedeutete für den Menschen in der Urgeschichte den potenziellen Ausschluss aus der schützenden Gruppe – ein existenzielles Risiko. Dieses evolutionäre Muster wirkt bis heute nach: Allein zu sein kann sich instinktiv bedrohlich anfühlen, selbst wenn der rationale Teil weiß, dass eine Trennung besser wäre.
Die Bilanz der gemeinsamen Zeit
Viele wägen in der Krise nicht nur aktuelle Gefühle ab, sondern das gesamte Beziehungs-Konto: Gemeinsame Kinder, gemeinsam Geschaffenes, Jahre voller Erinnerungen und auch Krisen, die gemeinsam überstanden wurden. Das alles wirkt bindend – und lässt den Blick auf die Realität oft milder erscheinen, als sie ist.
Gewöhnung an das Belastende
Selbst in unglücklichen Beziehungen stellt sich bei vielen eine gewisse Routine ein. Das Bekannte erscheint kontrollierbar – selbst wenn es leidvoll ist. Neue Beziehungen hingegen bedeuten neue Konflikte, unbekannte Herausforderungen. Der Satz "Ich weiß, wie ich hier mit den Problemen umgehen muss" steht oft für eine tiefe Angst vor Veränderung.
Hoffnung auf Veränderung
Nicht wenige klammern sich an die Hoffnung, dass sich der Konflikt oder die Partnerin bzw. der Partner doch noch ändert. Diese Hoffnung kann Kraft geben, aber sie wird oft zur Selbsttäuschung – vor allem, wenn sie über lange Zeit hinweg enttäuscht wurde.
Selbstzweifel und Schuldgefühle
Gerade Menschen mit geringem Selbstwert zweifeln oft daran, ob nicht sie selbst "schuld" an der Misere sind. Sie geben sich Verantwortung für das Beziehungsklima – und halten aus Angst, sich „vorschnell“ zu trennen, lieber durch.
Materielle und existenzielle Abhängigkeiten
Besonders wenn wirtschaftliche Ungleichheit besteht – etwa wenn ein Partner die Karriere wegen der Familie zurückgestellt hat – wird eine Trennung zur existenziellen Bedrohung. Die Frage, wie man allein finanziell über die Runden kommt, kann lähmen.
Angst vor Eskalation oder Gewalt
In manchen Fällen wird die Trennung durch reale Angst verhindert – vor Wutausbrüchen, psychischer oder physischer Gewalt. Solche Betroffenen benötigen unbedingt professionelle Unterstützung und Schutzstrukturen.
Emotionale Abhängigkeit
Wer in eine emotionale Abhängigkeit geraten ist, hält oft an ungesunden Beziehungsmustern fest. Manipulationen oder ständige Zurückweisungen werden nicht mehr als toxisch erkannt, sondern mit „Liebe“ verwechselt. Die Angst, ohne den anderen "nichts zu sein", kann lähmen.
Falsche Rücksichtnahme
Viele sagen: „Ich kann mich nicht trennen, das würde ihn/sie zerstören.“ Doch oft verbirgt sich dahinter ein unbewusstes Bedürfnis, sich selbst als moralisch integer zu erleben – und ein schlechtes Gewissen zu vermeiden. Diese Form der Rücksichtnahme dient letztlich mehr dem eigenen Selbstbild als dem Wohl des anderen.
Angst vor dem Unbekannten
Die sogenannte Komfortzone – auch wenn sie wenig komfortabel ist – gibt Sicherheit. Viele haben Angst vor Einsamkeit, davor, im sozialen Umfeld zu scheitern oder sich neu orientieren zu müssen. Diese diffuse Angst verhindert oft den ersten Schritt hinaus.
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