Er hat einen Unfall, sie verliert dabei ihren Arm: Wie hält die Liebe das aus?

Bei einem Motorradunfall verliert Gina ihren linken Arm – ihr Freund Jan saß am Lenker. Doch die junge Frau lässt nicht zu, dass Schuldgefühle und Vorwürfe ihre Beziehung zerstören. Ein starkes Paar!
Es ist der 15. September 2019. Ein schöner Spätsommertag. Bis in den Nachmittag hat Gina Rühl (heute 21) für ihre anstehende Abiturprüfung gelernt, dann holt Freund Jan (22) sie zu einer Spritztour ab. Sie wollen einen Kaffee trinken. "Ich brauchte mal eine Pause von der Paukerei", erzählt Gina. Sie fahren los. Gina sitzt auf dem Sozius, als Jan ohne vorhersehbaren Grund die Kontrolle über das Motorrad verliert. Was dann passiert: Kaum vorstellbar, dass die Liebe dieses Schicksal aushalten kann.
Sie verliert ihren Arm bei seinem Unfall: Wie hält die Liebe dieses Schicksal bloß aus?

In einer Kurve bei Radevormwald (Nordrhein-Westfalen) bricht das Hinterrad aus. Gina wird vom Sitz geschleudert, fliegt einen Hang hinunter, prallt dann mit voller Wucht gegen einen Baum. Ihr linker Arm wird dabei abgerissen, hängt nur noch an der Haut. Aber das realisiert die junge Frau zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht. "Ich hatte viele Trümmerbrüche", erzählt sie tapfer weiter. "Das Becken, der rechte Unterschenkel, Schien- und Wadenbein – ich konnte mich vom Hals abwärts nicht mehr bewegen und hab nur geschrien."
Dass ein Rettungshelikopter sie in die Uniklinik Köln fliegt, kriegt sie kaum noch mit. Erst zwei Tage später kommt Gina wieder zu sich, die Ärzte hatten sie ins Koma gelegt. Zwei Wochen lang tun sie auf der Intensivstation alles, um Ginas Arm zu retten, operieren mehrmals – vergeblich. Er muss amputiert werden. Und Jan, ihr Freund, der Motorradfahrer? Hat ein Schädelhirntrauma, aber keine bleibenden Schäden, ist inzwischen über den Berg.
Er wieder fit, sie für immer gehandicapt: Wie kommt die junge Frau damit klar? Kann man in verzweifelten Momenten überhaupt anders, als ihm die Schuld zu geben? Gina schüttelt energisch den Kopf: "Nein! Ich habe mich doch freiwillig auf das Motorrad gesetzt. Und Jan ist genauso Opfer wie ich, ihn trifft keine Schuld." Was für eine starke Frau, was für eine starke Haltung.
Mit Jan Schluss machen? Das war für Gina nie ein Gedanke

Tatsächlich bestätigen Gutachter, dass Jan nicht zu schnell unterwegs war. "Das zu wissen tut natürlich gut", sagt Gina sachlich. "Ich weiß nicht, wie Freunde und Familie sonst reagiert hätten." Keinen einzigen Moment habe sie daran gedacht, mit Jan Schluss zu machen: "Das wäre doch schwach von mir! Ich soll ihm die Schuld geben, damit es für mich einfacher wird? Das war keine Option."
Jan selbst spricht nicht so gerne über den Unfall: "Ich habe mich bei Gina entschuldigt", sagt der Tischler leise. "Aber natürlich gäbe ich alles, könnte ich den Unfall rückgängig machen." Gina drückt sofort seine Hand. "Du hilfst mir doch super", sagt sie mit einem warmen Lächeln. "Und wofür denn entschuldigen?" Seit 2015 sind sie ein festes Paar. Jetzt nehmen sie sich gegenseitig die Last. "Und wir sind froh, dass nichts Schlimmeres passiert ist!"
Gina Rühl ist keine, die sich aufhalten lässt. Als Mutter und Stiefvater mit ihr in die USA ziehen, kehrt sie als 15-Jährige allein nach Deutschland zurück: "Ich wollte halt hier mein Abi machen." Die Prüfungen hat sie nachgeholt, eine Ausbildung zur Justizfachangestellten begonnen. "Wegen Phantomschmerzen musste ich die abbrechen", erklärt sie. "Ich mache jetzt ein Fernstudium."
"Ich hätte gern eine Familie – aber der Antrag muss von ihm kommen!"

Seit August trägt sie eine 100 000 Euro teure Armprothese, die sie mit ihren Brust- und Rückenmuskeln steuern kann. "Das klappt noch nicht so richtig gut", gibt Gina zu. "Wegen meiner Knochenbrüche war noch keine Reha möglich. Aber ich trage sie täglich und übe. Sie hilft mir, mich ganz zu fühlen."
Wie sie alles neu lernt, darüber berichtet Gina auch offen im Internet: "Die einarmige Prinzessin" nennt sie sich auf Instagram. "Täglich passieren Unfälle", meint Gina. "Das muss man sich klarmachen. Und wenn ich anderen Mut machen kann, macht das auch mich stärker."
Ihr nächster Plan? "Jan und ich suchen eine größere Wohnung." Nach so vielen Jahren Beziehung auch schon ans Heiraten gedacht? "An Kinder, ja", schmunzelt Gina und knufft ihrem Jan in die Seite. "Aber der Antrag muss von ihm kommen."
Psychotherapeutin: "Ein Wir-Gefühl trägt auch durch Krisen"

Was Psychotherapeutin und Bestseller-Autorin ("Jeder ist beziehungsfähig") Stefanie Stahl zur Schicksals-Geschichte von Gina und Jan sagt – und ob die Liebe wirklich zu allem fähig ist.
BILD der FRAU: Liebe Frau Stahl, verzeiht die Liebe alles?
Stefanie Stahl: Nicht alles, das sollte sie auch nicht, weil Liebe nicht mit Abhängigkeit verwechselt werden darf. Wichtig ist, dass jeder für seinen Anteil die Verantwortung übernimmt.
Was hilft in der Krise?
Ein Wir-Gefühl und viel Vertrauen. Solche Traumen müssen verarbeitet werden, die Partner sollten sich Raum für Gespräche geben. Und sich Freiräume lassen: Jeder Mensch geht anders mit Trauer und Gefühlen um. Gut tut auch, den Blick auf das zu lenken, was noch heil ist.
Ein Unfall ist ein Schicksalsschlag. Aber wie verzeihlich sind ein Seitensprung oder heimlich gemachte Schulden?
Passiert das ständig, sollte sich der Betrogene gut überlegen, wie oft er verzeiht. Ansonsten ist wichtig, dass der schuldige Partner aktiv dazu beiträgt, dass der andere wieder Vertrauen gewinnt. Der hintergangene Partner sollte nur irgendwann wirklich verzeihen, sonst bleibt die Beziehung vergiftet.
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