Bevor alte Muster das neue Glück ruinieren: Was wir aus jeder Beziehung für die nächste lernen
Wer in vergangenen Beziehungen Fehler gemacht hat, will sie nach Möglichkeit in einer neuen Beziehung vermeiden. Schließlich lernen wir ja aus Fehlern – oder? Warum wir dennoch oft in alte Muster verfallen und wie sich das vermeiden lässt.
"Dieser Fehler passiert mir in meiner neuen Beziehung nicht noch einmal." Kennst du das? Diesen gut gemeinten Vorsatz, der sich allzu oft doch nicht halten lässt – wider besseres Wissen? Der Mensch ist halt ein Gewohnheitstier: Was er einmal falsch gemacht hat, macht er immer wieder falsch. Das stimmt zwar mitunter, aber ganz so einfach ist es glücklicherweise doch nicht.
Denn natürlich sind wir Menschen auch lernfähig: Wir haben so etwas wie ein "eingebautes Lernprogramm", sagt Paarberater Eric Hegmann. Zu Beziehungsthemen aller Art bietet er in seiner Modern Love School zahlreiche Online-Kurse an. BILD der FRAU hat bei dem Partnerschafts-Experten nachgefragt, was es mit dem Lernen aus Fehlern auf sich hat, warum wir dennoch immer wieder Fehler aus alten Beziehungen in neue hineintragen und wie wir das vermeiden können.
Was wir aus vergangenen Beziehungen für die neuen lernen – und welche Gefahren das birgt
BILD der FRAU: Lieber Herr Hegmann, lernen wir wirklich immer aus unseren Beziehungen?
Eric Hegmann: Die gute Nachricht: Ja, wir alle lernen aus Beziehungen. Die schlechte: Nicht alles bringt uns weiter, manches wirft uns sogar zurück. Ein häufiger Satz lautet so ähnlich: "Meine misslungenen Beziehungen vorher haben mich erst bereit gemacht für diese Beziehung." Aus Fehlern lernen, das klingt super. Warum gelingt das manchen Menschen – und manchen nicht?
Ja, warum eigentlich?
Menschen haben ein eingebautes Lernprogramm. Das funktioniert so, dass eine einmal als unangenehm oder sogar schmerzhaft erlebte Erfahrung in der Zukunft vermieden wird. Mehr als einmal, vielleicht zweimal, fasst kaum ein Kind nochmal auf die heiße Herdplatte.
Das wird sofort abgespeichert und sorgt künftig für manchmal auch unbewusste Schutzstrategien: ein Blick auf rote Warnlampen, Fühlen der Wärme aus der Distanz, kochender Topfinhalt – wir stellen Rückschlüsse her und sorgen mit kreativen Verknüpfungen dafür, dass wir uns nicht verbrennen oder verbrühen. Vor allem kochen wir weiterhin, weil wir uns sicher genug fühlen, die Gefahren der Herdplatten einschätzen und mit ihnen und auch ihren Folgen umgehen zu können.
Ein anderes Lernprogramm funktioniert nicht über Schmerz und Vermeidung, sondern über Glücks- und Lustgefühle. Unser sogenanntes Belohnungszentrum speichert ab, was sich gut anfühlt. Und lässt uns manchmal sogar sehr dringlich wissen, dass diese Erfahrungen bitte doch wiederholt werden sollen. Eine befriedigende sexuelle Erfahrung sagt: Bitte gleich noch einmal! Eine schmerzhafte hingegen kann dazu führen, dass Intimität lange Zeit als unerträglich erlebt wird.
Alle können sich ändern, wenn sie wollen – und sie wollen, wenn es sich lohnt
Aber das ist ja dann kontraproduktiv?
In der Liebe sind Zurückweisungen, Trennungen, schmerzhafte Konflikte ebenfalls Auslöser für unser Lernprogramm und entsprechende Schutzstrategien. Einige davon machen Beziehungsexpert*innen, andere wiederum sorgen dafür, dass die Verletzten nie wieder eine Küche betreten, um beim obigen Beispiel zu bleiben.
Wenn ich mit Paaren arbeite, geht es meistens darum, dass die erlernten Schutzstrategien die Liebe sabotieren. Wir versuchen dann, etwas Neues auszuprobieren und zu lernen, damit aus den Partner*innen Expert*innen und Meisterköch*innen werden. Denn dann macht auch das Kochen und das Essen viel mehr Freude.
Was ist ausschlaggebend, ob wir uns ändern?
Partner*innen ändern sich, wenn sie das wollen. Und sie wollen dann eine Veränderung, wenn sie erleben, dass sich die Veränderung lohnt. In Beziehungen kann es sein, dass Rituale plötzlich Sicherheit und Geborgenheit geben, wo zuvor Zweifel und Misstrauen herrschten. Oder dass eine freundliche, zugewandte Kommunikation im Alltag dazu führt, dass Konflikte nicht mehr eskalieren und Verhandlungen ebenso respektvoll und verständnisvoll geführt werden wie die Gespräche sonst.
Solche Werkzeuge lassen sich in die nächste Beziehung hinüberretten. Allerdings gehen Menschen meist dann neue Beziehungen ein, wenn die vorherige gescheitert ist. Es werden also vor allem negative und schmerzhafte Situationen dafür sorgen, dass diese künftig vermieden werden sollen. Um jetzt tatsächlich zu lernen, wäre notwendig zu überprüfen: Was war schlecht? Und warum? Was lief gut? Und warum? Das ist nach meiner Erfahrung eben kein Selbstläufer. Aus verschiedenen Gründen.
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Vier Ansätze, die du vor einer neuen Beziehung beherzigen solltest
Was sind das für welche?
- Mit jeder Partnerin / jedem Partner gibt es eine andere, neue Paar-Dynamik
Zur Dynamik gehören immer zwei. Selbst wenn du natürlich dich und deine Anteile daran mitnimmst in eine neue Partnerschaft: Die andere Person wird weder exakt wie du sein noch wie dein*e Ex. Du musst also deine Strategien testen.
- Was mit einer Partnerin / einem Partner super lief, kann grässlich scheitern mit dem nächsten
Vielleicht war das tägliche Gespräch: "Wie war dein Tag, was hat dich am meisten bewegt?", ein tolles Ritual deiner vergangenen Beziehung. Allerdings ist die neue Person an deiner Seite eine, die erst einmal Energie tanken muss, indem sie sich zurückziehen kann, bevor sie kommunikativ wird – und ihr beide prallt nun jeden Abend aufeinander.
- Was mit der einen Person nicht funktionierte, funktioniert auch meist nicht mit der nächsten
Ist es dein Ding, eher fordernd zu sein und Aufmerksamkeit zu benötigen, dann hast du vielleicht erlebt, dass es wenig bringt, drängend zu sein, weil dein*e Partner*in sich eher weiter zurückzieht. Ist die neue Person an deiner Seite eine, die Konflikte vermeidet, dann wird es auch bei ihr erfolglos sein, dass du dir noch mehr Mühe gibst, gehört zu werden. Statt noch mehr von der alten, erfolglosen Strategie benötigst du eine ganz neue.
- Vermeiden funktioniert nur kurzfristig, langfristig verhindert es jedes Beziehungsglück
Wenn dein Vertrauen missbraucht wurde, kannst du natürlich darauf verzichten, deiner neuen Partnerin bzw. deinem neuem Partner zu vertrauen, damit du nicht verletzt wirst. Du verzichtest damit aber auch auf die Nähe, die eine Liebesbeziehung tatsächlich ausmacht.
Alte Fehler vermeiden: Das gelingt dann, wenn du dir das zutraust
Was also ist die wichtigste Erkenntnis für die neue Beziehung, um alte Fehler zu vermeiden?
Neues zu lernen und auszuprobieren ist letztlich immer der bessere Weg als die beiden anderen Möglichkeiten: zum einen erfolglose Strategien verstärkt zu wiederholen, zum anderen alles soweit wie möglich zu vermeiden, was einmal geschmerzt hat. Denn die wichtigsten Lerneinheiten aus Beziehungen sind: Du kannst heilen, neue Liebe finden, neue Bindungen eingehen.
Wenn du auch noch einige erprobte Werkzeuge, beispielsweise aus der Paarkommunikation, mitbringst und deinem neuen Schatz vorstellst, ist das gewiss ein Gewinn. Ein gewaltiger Verlust jedoch wäre die Überzeugung, du könntest nie wieder vertrauen, würdest immer ausgenutzt werden und müsstest dir Liebe verdienen, weil du nicht wertvoll oder gut genug wärst. Es ist letztlich deine Überzeugung, ob du dir selbst vertrauen kannst, zu heilen und neues Glück zu finden.
Um auf das Beispiel mit der Herdplatte ein letztes Mal zurückzukommen: Du kannst natürlich die Küche künftig meiden und dein Essen nur noch liefern lassen. Es wird aber langfristig niemals so befriedigend sein wie es sein würde, wenn du gelernt hättest, immer neue Lieblingsgerichte selbst zu kochen.
➔ Mehr Infos zu unserem Experten Eric Hegmann findest du hier, und hier geht's zur Modern Love School. Dort gibt es auch passende Online-Kurse zum hier besprochenen Thema.
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