Wenn der Alltag die Erotik frisst

Flaute im Schlafzimmer? So bringen Paare wieder Schwung in ihr Liebesleben

Zwei Personen, die auf einem Steg sitzen und aufs Wasser blicken. Sie sind von hinten zu sehen und tragen warme Kleidung, vermutlich Pullover oder Jacken. Eine Person hat den Arm um die andere gelegt.
© Getty Images / Maskot
Wie können Paare es schaffen, guten Sex und echte Leidenschaft auch in einer langjährigen Beziehung zu erhalten? Dominik Borde verrät es.

Großartiger Sex und echte Leidenschaft müssen in einer langjährigen Beziehung nicht zwangsläufig verloren gehen, sagt der erfahrene Beziehungscoach Dominik Borde. Im Interview mit BILD der FRAU verrät er seine fünf wichtigsten Tipps dazu, was hilft, wenn der Sex mit der Partnerin oder dem Partner immer weniger wird.

Je länger die Beziehung, desto öder der Sex... Das ist leider häufig zu hören. Aber muss das so sein? Nein, sagt Beziehungs-Coach Dominik Borde, Gründer der Beziehungs-Academy SozialDynamik und Autor zahlreicher Fachbücher zur Beziehungsgestaltung. Seit mehr als 12 Jahren kommen täglich Paare mit denselben sexuellen Problemen und Themen zu ihm, die sich auseinandergelebt haben, deren Beziehung unter zu viel Alltag, Konflikten und Streits leidet, deren Intimität auf der Strecke bleibt und deren Sex immer weniger wird.

Diese Charaktereigenschaft verrät, ob du guten Sex hast

Wie es gelingen kann, guten Sex und echte Leidenschaft auch in einer langjährigen Beziehung zu erhalten, was psychische Blockaden mit der mangelnden Freude an Sex zu tun haben und welches liebevolle Ritual er mit seiner Partnerin pflegt, darüber spricht Dominik Borde im Interview mit BILD der FRAU.

5 Tipps, wie Paare ihr eingeschlafenes Sexleben zu neuem Leben erwecken

Herr Borde, Sie sagen, es gibt eine Abwärtsspirale beim Sex in jeder langjährigen Beziehung. Was genau meinen Sie damit?

Dominik Borde.jpg | © SozialDynamik
Foto: SozialDynamik
Beziehungs-Coach Dominik Borde, Gründer der Beziehungs-Academy SozialDynamik und Autor zahlreicher Fachbücher zur Beziehungsgestaltung

Dominik Borde: Am Anfang einer Beziehung ist noch nicht so viel abhängig davon, da trauen wir uns noch, uns sexuell auszuprobieren und dem Partner oder der Partnerin auch unsere verruchte Seite zu zeigen. Wir treffen uns also an einem bestimmten Punkt unserer sexuellen Landkarte und finden heraus, was uns gemeinsam Spaß macht: beispielsweise zuerst küssen, dann streicheln, dann oral, dann von vorne, dann von der Seite und Finale. Das machen wir immer wieder und entwickeln so eine Routine, die wir als Paar immer wieder wiederholen – bis es langweilig wird.

Wenn das passiert, trauen wir uns aber oft nicht mehr, frei darüber zu sprechen, worauf wir beim Sex Lust hätten oder was wir gerne ausprobieren wollen würden, weil inzwischen viel mehr von der Beziehung abhängt. Wir haben einen gemeinsamen Freundeskreis, einen Haushalt, vielleicht auch Kinder – und all das führt dazu, dass wir uns immer weniger trauen, im sexuellen Bereich Neues auszuprobieren. Doch guter Sex mit dem gleichen Partner oder der gleichen Partnerin über lange Zeit hinweg braucht neue Entwicklungen.

Wie können Paare diese Abwärtsspirale stoppen?

Dies ist der erste Tipp: Sie müssen anfangen, Unsicherheit auszuhalten und offen mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin über Ihre Wünsche und Bedürfnisse im Bett zu sprechen. Mag sein, dass Sie Angst davor haben, dass Partner oder Partnerin es nicht gut findet, wenn Sie dies oder jenes für Ihren gemeinsamen Sex vorschlagen, aber Sie müssen es riskieren, möglicherweise abgelehnt zu werden, denn wenn Sie niemals neue Impulse geben, riskieren Sie am Ende, alles zu verlieren.

Dazu ein Beispiel aus meinem Coaching: Ich hatte mal ein Paar bei mir, da hat die Frau auf dem Handy des Mannes jede Menge Fotos von schlanken Frauenfüßen in schicken Schuhen gefunden. Er hat zuerst abgestritten, irgendetwas damit zu tun zu haben. Im Verlauf des Coachings traute er sich aber doch, ihr zu gestehen, dass er diese Fotos sexuell erregend fand. Sie fand das tatsächlich gar nicht so schlimm – das Ganze endete damit, dass die beiden zusammen schöne Schuhe einkaufen gingen. Sie haben also beide von seinem Mut profitiert. Das Beispiel ist natürlich extrem, aber es macht deutlich: Wer es wagt, über seine sexuellen Fantasien und Wünsche mit seinem Partner oder seiner Partnerin zu sprechen, kann viel gewinnen.

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Wer sich selbst und seinen Körper nicht mag, kann keinen guten Sex haben

Viele Frauen und Männer haben im Laufe der Zeit aber auch aus anderen Gründen Angst vor Ablehnung, beispielsweise weil der Körper sich verändert hat. Wie ist dazu Ihre Erfahrung?

Ja, das ist völlig richtig. Sexualität beginnt nicht erst dann, wenn wir mit einem anderen Menschen intim werden, sondern schon lange davor mit uns selbst. Viele Menschen finden sich selbst nicht attraktiv und sexy, und auch das macht natürlich einen Zugang zur Sexualität schwierig. Viele Frauen haben Schwierigkeiten, sich selbst Lust zu verschaffen und zum Orgasmus zu kommen, weil sie mit ihrem Körper und dem ganzen Thema Sexualität nicht verbunden und nicht im Reinen sind. Viele Männer haben Angst, beim Sex zu versagen, zu früh, zu spät oder gar nicht zu kommen. Wenn Sex immer mehr zum Blockadethema wird, ist es auf jeden Fall wichtig, seine grundsätzliche Haltung zu Sex zu erforschen.

Das ist der zweite Tipp. Fragen Sie sich: Habe ich eine positive Einstellung zu Sex und gönne ich mir ein lustvolles Leben oder ist Sex für mich eher schambehaftet? Ist Ihnen möglicherweise aufgrund einer oder mehrer belastender Erfahrungen in der Vergangenheit die Lust auf Sex vergangen? Welche Gedanken oder emotionalen Blockaden stehen Ihnen im Weg? Was brauchen Sie, um Lust zu bekommen? Es gibt unzählige Ressourcen, die Ihnen dabei helfen können, diese Fragen für sich zu beantworten – Bücher, Podcasts, Blogartikel, Videos, Tantra–Kurse. Und egal, welchen Weg Sie wählen: Ziel ist es, Sex zu erst einmal für sich wieder als das zu entdecken, was er eigentlich ist, nämlich eine spannende Entdeckungsreise zu sich selbst und dem eigenen Körper und eine geniale Möglichkeit, mit tiefen Gefühlen wirklich in Kontakt zu kommen. Haben Sie sich eine positive Grundhaltung zur Sexualität geschaffen, wird es um ein Vielfaches leichter, diesen Aspekt mit einem zweiten Menschen zu teilen und auch zu genießen.

Dritter Tipp: Auch der Austausch mit einem professionellen Coach kann sehr hilfreich sein, insbesondere dann, wenn es darum geht, emotionale Verletzungen in der Beziehung aufzuarbeiten, die sich in langjährigen Partnerschaften oftmals anhäufen und ein liebevolles Miteinander immer schwieriger machen. Ein Profi kann auch dabei helfen, tief sitzende Blockaden und Traumata der Vergangenheit zu erkennen und zu verarbeiten sowie Probleme beim Orgasmus oder Erektionsprobleme zu lösen, indem er Ihnen zeigt, wie Sie mit den damit verbundenen Schamgefühlen besser umgehen können.

Die meisten Paare möchten gerne mehr intime Momente miteinander erleben und sind auch bereit, sich mit dem Thema zu beschäftigen, doch es fehlen ihnen die Zeit und Energie dazu. Was kann da helfen?

Mir ist natürlich bewusst, dass die meisten Paare vor allem darunter leiden, dass der Alltag ihnen sehr viel abverlangt und wenig Zeit und Energie für liebevolle Momente miteinander bleibt. Doch intime Momente mit unserem Partner oder unserer Partnerin geben uns viel Energie und Kraft für die Herausforderungen unseres Lebens. Wer am Abend zuvor eine schöne Kuschelzeit mit dem oder der Liebsten hatte, wird am nächsten Tag mit viel mehr Leichtigkeit in den Alltag starten. Es macht also absolut Sinn, Zärtlichkeit und Sex auf unseren Prioritätenlisten nach vorne zu holen.

Gemeinsame Aktivitäten können für ein Gefühl von Nähe und Verbundenheit sorgen

Darum mein vierter Tipp: Nehmen Sie sich Zeit für Intimität ganz ohne Sex und machen Sie sich bewusst, dass diese Zeit miteinander nicht ewig lang sein muss! Es braucht nicht immer 3 Stunden hemmungslosen Sex mit Massage, Kerzen und Rosenblättern. Schon eine Umarmung kann so viel für uns tun! Wichtig ist, dass wir einen Raum schaffen, in dem wir ohne Druck zärtlich miteinander sein können. Ich habe beispielsweise ein Ritual mit meiner Partnerin: Abends legen wir uns mit einer Decke auf den Fußboden, bei sanftem Licht und angenehmer Musik, um uns einfach mal anders als üblich nahe zu sein. Wir gehen dabei miteinander in Verbindung, lehnen und kuscheln uns aneinander an und sind im Hier und Jetzt miteinander.

Das machen die meisten Paare viel zu selten, es hilft aber enorm, denn wenn wir unseren üblichen Alltag unterbrechen und uns wieder wie Kinder miteinander auf den Boden begeben, beginnt automatisch unser angeborener Spieltrieb. Es sich zu zweit am Boden gemütlich zu machen, ist aber nur eine von ganz vielen Möglichkeiten, dem Partner oder der Partnerin nahe zu sein und sich gegenseitig bewusster zu begegnen. Wichtig ist vor allem eine gemeinsame Aktivität, bei der Sie entspannen können und die beiden ein Gefühl von Nähe und Verbundenheit gibt. Es kann also auch ein Thermenbesuch sein, der Wunder wirkt und Sie körperlich näher bringt.

Am Anfang einer Beziehung haben wir ganz ohne großes Tamtam Lust auf Sex. Können wir diesen Zauber des Anfangs irgendwie auch in einer langjährigen Beziehung erhalten?

Ja, absolut! Wir glauben oft, dass Sex spontan passieren muss. Die Chance aber, dass es Paare auch nach 10 Jahren einfach so überkommt und sie sich aus hemmungsloser Leidenschaft die Kleider vom Leib reißen und übereinander herfallen, ist sehr gering.

Darum mein fünfter Tipp: Warten Sie nicht darauf, dass Sie spontan die Lust überkommt, sondern übernehmen Sie Verantwortung für Ihre Lust und tun Sie gezielt das, was Sie brauchen, um Lust auf Sex zu bekommen. Am Anfang einer Beziehung ist es meistens so, dass beide Partner*innen sich schon vor einem Treffen in vielerlei Hinsicht vorbereiten. Wer verliebt ist und damit rechnet, dass es heute womöglich noch zum Sex kommen könnte, rasiert und wäscht sich, spürt Kribbeln und Vorfreude im Bauch und achtet darauf, dass alles rundum perfekt ist. Das heißt, die Vorbereitung an sich ist schon ein Turn on-Programm – und wenn man sich dann trifft, ist es viel schneller heißer, als wenn man im Alltag nebeneinander lebt und sich um Kinder, Haushalt, Beruf kümmern muss.

Und weil gerade Frauen wirklich entspannt sein müssen, um Lust auf Sex zu haben, hilft vor allem für die Frauen, sich Raum und Zeit für sich zu schaffen und sich bewusst zu fragen: Was brauche ich, um in Stimmung zu kommen? Braucht es eine kalte Dusche, frische Bettwäsche, eine gut duftende Bodylotion und ein schönes Outfit? Dann geben Sie sich doch genau das.

Umgekehrt rate ich den Männern dazu, keinen Druck rund um Sex aufzubauen und zu wissen, dass eine Frau für ihre Lust nicht nur eine Gelegenheit, sondern auch entspannte Zeit braucht und er ihr am meisten hilft, wenn er ihr Zeit für sich ermöglicht und ihr möglichst entspannt begegnet. Männer sollten also kurz durchatmen, bevor sie am Abend mit ihrer Frau zusammentreffen, für ein paar Sekunden an all das denken, was sie an dieser Frau lieben – und sie dann mit einem liebevollen Lächeln und ein paar anerkennenden Worten begrüßen, die ihr zeigen: Sie wird gesehen, geliebt, geachtet und begehrt. Denn das ist es, was Frauen emotional für ihre Männer öffnet und es ihnen ermöglicht, ihren Partnern auch auf dieser Ebene zu begegnen.

Sowohl Frauen als auch Männer sollten mehr liebevolle Zuneigung, echte Aufmerksamkeit, Fürsorge und Zärtlichkeit in ihre Beziehung bringen, statt immer nur darauf zu warten, dass Partner oder Partnerin auf sie zugeht – schnell werden sie merken, wie sich diese positiven Momente gegenseitig verstärken und das Sexleben schließlich wieder aufleben lassen!

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