Zurück nach 100 Jahren: Der Große Puppenräuber könnte den Eichenprozessionsspinner stoppen

Ein Käfer kehrt nach Deutschland zurück – und könnte zur biologischen Rettung im Kampf gegen Eichenprozessionsspinner werden. Gepanzert, hungrig und äußerst effizient: Calosoma sycophanta, der Große Puppenräuber.
Nach fast einem Jahrhundert kehrt der Große Puppenräuber zurück in deutsche Wälder. Zwar war er hier einst heimisch, doch durch Lebensraumverluste und den Rückgang großer Raupenpopulationen verschwand er nahezu vollständig.
Während er in Nordamerika seit den 1900er-Jahren gezielt zur biologischen Schädlingskontrolle eingesetzt und erfolgreich etabliert wurde, galt er hierzulande lange als selten. Jetzt allerdings, im Zuge der zunehmenden Ausbreitung des Eichenprozessionsspinners und weiterer Raupenplagen, wächst das Interesse an einer gezielten Wiederansiedlung.
Ein Käfer gegen den Raupen-Alarm
Mit dem Klimawandel breiten sich wärmeliebende Arten wie der Eichenprozessionsspinner (EPS) in Mitteleuropa rasant aus. Wo früher einzelne Nester lokalisiert werden konnten, drohen heute ganze Eichenbestände zu kollabieren. Zusätzlich gefährden die winzigen Brennhaare der Raupen Menschen und Tiere – sie verursachen allergische Reaktionen bis hin zu Atemnot. Chemische Bekämpfung stößt an ihre Grenzen. Umso dringlicher wird die Suche nach natürlichen Gegenspielern.
Die haarigen Raupen des Eichenprozessionsspinners breiten sich 2025 massiv aus – mit gefährlichen Folgen für Mensch und Tier. Parks werden gesperrt, Kitas schließen, Allergien nehmen zu. Was hinter der Plage steckt, wie du die Nester erkennst – und was du tun musst, wenn du in Kontakt kommst.
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Hier kommt der große, flugfähige Große Puppenräuber ins Spiel – ein Laufkäfer mit Appetit auf genau jene Raupen, die unsere Eichen bedrohen. In mehreren Studien konnte nachgewiesen werden, dass dieser Käfer nicht nur Schwammspinner, Kiefernprozessionsspinner und Goldafter erfolgreich dezimiert – sondern auch Thaumetopea processionea, den Eichenprozessionsspinner, als Beute akzeptiert.
Viele Raupen, viele Käfer
Mit bis zu 2,5 Zentimetern Länge, glänzend grün-blauem Panzer und ausgeprägtem Beißwerkzeug ist der Große Puppenräuber kein dezenter Waldbewohner. Er jagt zu Fuß wie aus der Luft, erklimmt Baumstämme und durchsucht die Nester seiner Beute. Er frisst nicht nur Larven, sondern auch Puppen – und das mit Ausdauer: Bis zu 280 Raupen pro Jahr vertilgt ein einzelner Käfer, bei einer Lebensdauer von bis zu vier Jahren also mehr als 1.000 Opfer.
Laborversuche und Feldstudien zeigen, dass der Puppenräuber seine Reproduktionszyklen perfekt an das Raupenangebot anpasst. Die Weibchen legen ihre Eier nur dann, wenn sie zuvor genügend gefressen haben – ein natürlicher Mechanismus zur Kontrolle der eigenen Population.
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In Europa heimisch, für Deutschland hochinteressant
Der Große Puppenräuber stammt ursprünglich aus Europa und Nordafrika, wurde aber im 20. Jahrhundert erfolgreich zur biologischen Schädlingskontrolle in Nordamerika eingeführt – unter anderem gegen den Schwammspinner, einen nahen Verwandten des EPS. Während sich der Käfer in den USA gut etablierte, geriet er in Mitteleuropa zwischenzeitlich ins Hintertreffen. In Deutschland steht er inzwischen auf der Vorwarnliste gefährdeter Arten.
Dabei wäre seine Wiederansiedlung und gezielte Förderung eine große Chance: In der Türkei etwa wird der Käfer bereits systematisch gezüchtet und ausgebracht – mit großem Erfolg bei der Bekämpfung des Kiefernprozessionsspinners. Ähnliche Programme sind auch für deutsche Wälder denkbar, wo Eichenbestände immer stärker unter Raupenbefall leiden.
Alternative zur Chemiekeule?
Mechanische, chemische und thermische Methoden gegen den EPS sind teuer, aufwendig und nicht immer erfolgreich. Der Einsatz von Insektiziden ist in Naturschutzgebieten und in der Nähe von Siedlungen besonders kritisch. Hier könnte ein natürlicher Fressfeind wie Calosoma sycophanta eine sinnvolle Ergänzung im Bekämpfungsmix sein – ökologisch verträglich und langfristig wirksam.
Der Puppenräuber wurde bereits in mehreren Studien als "spezifischer Prädator für große Schmetterlingsraupen" beschrieben. Sein Jagdverhalten ist mit dem Lebenszyklus des Eichenprozessionsspinners synchron – auch er verlässt sein Winterquartier im Boden, wenn die Raupen in den Bäumen aktiv werden.
Zucht, Auswilderung – und ein bisschen Geduld
In türkischen Laboren wurden bereits zehntausende Käfer gezüchtet und in befallenen Gebieten freigesetzt – mit nachhaltigem Rückgang der Raupenpopulationen. Pro Hektar reichen 200 bis 250 Individuen aus, um spürbare Effekte zu erzielen.
Die Zucht ist zwar anspruchsvoll – die Großen Puppenräuber benötigen bestimmte Luft- und Bodenfeuchtigkeit, einzelne Haltung in Larvenstadien und ausreichend Nahrung. Doch die Erfahrungen zeigen: Es funktioniert. Für Deutschland wäre das eine Investition in langfristigen biologischen Pflanzenschutz, bei dem weder Brennhaare noch Umweltgifte zum Problem werden.
Und tatsächlich mehren sich die Hinweise, dass Calosoma sycophanta bereits von selbst zurückkehrt: In Bayern wurde der Große Puppenräuber zuletzt wieder gesichtet, vereinzelt auch in anderen Regionen. Ob es sich um Reliktpopulationen oder Einwanderungen aus Nachbarländern handelt, ist noch unklar – fest steht aber: Das gepanzerte Insekt ist zurück auf der Bildfläche. Vielleicht genau zur rechten Zeit.
Der Große Puppenräuber könnte zum wichtigsten natürlichen Gegenspieler des Eichenprozessionsspinners in Mitteleuropa werden.
Klar, ohne Insekten geht es nicht, aber sie können eben auch großen Schaden anrichten. Etwa diese:
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