Im Interview

Unperfekt, aber glücklich: Lucinde Hutzenlaubs ehrliche Worte über Ehe, Mut und Veränderung

Lucine Hutzenlaub mit rotem Lippenstift und lockerer Frisur lächelt freundlich vor gelber Wand in gelbem Pulli.
© Gaby Gerster
Mit BILD der FRAU hat Lucinde Hutzenlaub über ihr neues Buch "Unperfekt ist genau richtig" gesprochen.

Du bist immer nur für alle anderen da und stellst deine Bedürfnisse und Sorgen meist hinten an? Lucinde Hutzenlaub kennt das nur zu gut. Nach Jahren des Perfektionismus und des "People Pleasing" fand sie den Mut, sich selbst zu priorisieren. In ihrem Buch "Unperfekt ist genau richtig" und in unserem Interview teilt sie ihren Weg aus diesen Mustern und gibt wertvolle Tipps für ein erfülltes Leben.

Vielleicht kennst du dieses Gefühl: Du versuchst ständig, es allen recht zu machen, und darfst dabei keinen Fehler machen. Besonders Mütter wissen, wie es sich anfühlt, immer für alle anderen da zu sein – ganz zu schweigen von den Erwartungen, die die Gesellschaft an sie und Frauen im Allgemeinen stellt.

Doch kann ein Leben, in dem man die eigenen Bedürfnisse ständig hinten anstellt, auf lange Sicht wirklich glücklich machen? Nein, sagt Autorin Lucinde Hutzenlaub. Nach 25 Jahren Ehe, als Mutter von vier Kindern, Tochter und Freundin weiß sie genau, was es heißt, immer perfekt für andere sein zu wollen.

In ihrem neuen Buch* "Unperfekt ist genau richtig" erzählt die gebürtige Stuttgarterin, wie sie sich von den Erwartungen anderer, ihrem Perfektionismus und dem Drang, es allen recht zu machen, befreite, um ein erfülltes und glückliches Leben zu führen – auch wenn das nicht immer auf Zustimmung stößt. Im Interview plaudert Lucinde Hutzenlaub aus dem Nähkästchen und gibt wertvolle Tipps für alle, die ebenfalls unter Perfektionismus und People Pleasing leiden.

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"Du hast dich verändert": Autorin Lucinde Hutzenlaub über ihren Weg raus aus dem People Pleasing

BILD der FRAU: Wie kam es zu dem Titel "Unperfekt ist genau richtig" – steckt da eine persönliche Anekdote dahinter?

Lucinde Hutzenlaub: Tatsächlich hieß der Arbeitstitel am Anfang einfach nur "Unperfekt" – ich dachte, das beschreibt sowohl mich als auch mein Leben perfekt. Lustigerweise hat jede Freundin, der ich von dem Titel erzählt habe, gesagt "Ach, du schreibst ein Buch über mich?".

Irgendwie ist es ja aber auch genau das, was ich erreichen wollte: Mich mit meinem Unperfekt-sein anzunehmen und anzufreunden – und mich und das Leben zu feiern, nicht obwohl es unperfekt ist, sondern gerade deshalb. 

Was waren deine ersten Schritte raus aus dem People Pleasing und hin zum Wahrnehmen und Priorisieren deiner eigenen Bedürfnisse?

Sie waren schwierig. Zunächst bin ich auf Erstaunen und auf sehr viel Ablehnung gestoßen – gerade bei denen, für die ich bisher immer zur Stelle war. Als ich angefangen habe, mich um mich selbst zu kümmern, war ich nicht etwa klug genug, ein wenig Selbstfürsorge zu betreiben und endlich auch mal dran. Nein, da war ich auf einmal egoistisch und schwierig.

"Nimm dich doch nicht immer so wichtig" habe ich in dieser Zeit echt oft gehört. "Du hast dich total verändert", auch. Das alles hat am Anfang sehr weh getan – und es hat gedauert, bis ich sagen konnte: "Ja, ich habe mich verändert, stimmt. Was für ein Glück!"

People Pleasing & Perfektionismus: Diese Frage hat für Lucinde Hutzenlaub alles verändert

Gab es bestimmte Aha-Momente, in denen dir klar wurde: Jetzt muss ich für mich selbst einstehen?

Oh ja. Viele. Die Trennung von meinem Ex-Mann kam an einem Punkt, an dem ich einfach nicht mehr so weitermachen konnte. Ich war ständig krank, habe kaum noch geschlafen und war einfach unglücklich. Wie oft habe ich gedacht: Das kann doch nicht den Rest meines Lebens so bleiben

Irgendwann mal hat jemand mir die Frage gestellt, wer denn der wichtigste Mensch in meinem Leben ist. Und ich wusste nicht, ob ich mein jüngstes Kind, meinen Mann oder meine frisch verwitwete Mutter nennen sollte.

Auf mich selbst wäre ich nie gekommen. Und selbst, als ich es dann gesagt habe, habe ich es noch lange nicht gefühlt. Oder zugelassen. Denn das war ja egoistisch. Ich habe es leider selbst lange so gesehen.

Wie hast du es geschafft, dein People Pleasing abzulegen?

Ich weiß nicht, ob ich es so richtig immer gut kann. Und es ist ja auch schön, wenn man etwas tun kann, was die Menschen um einen herum glücklich macht. Aber ich gehe nicht mehr über meine Grenzen. Ich hinterfrage, warum ich etwas mache: Will ich es wirklich tun? Mache ich es, damit man mich mag? Oder weil ich es nicht aushalten kann, wenn mich vielleicht jemand nicht mehr so toll findet?

Das übrigens ist ein guter Wegweiser: Menschen, die einen nur mögen, weil man so praktisch ist, immer den Kuchen backt, die Fahrten übernimmt, einspringt oder was auch immer tut – sind einfach nicht die richtigen für uns. Nein sagen ist nicht leicht, aber es sorgt für Respekt, Verständnis und Akzeptanz bei denen, auf die es ankommt.

Was denkst du, wieso es uns bei manchen Menschen (z.B. dem Chef oder den Eltern) besonders schwerfällt nicht ins People Pleasing zu kommen?

Erstens sind wir ja auf eine ganz bestimmte Art und Weise erzogen worden, und das legt man nicht so leicht ab. Und zweitens ist der Chef natürlich jemand, der eine gewisse Macht ausübt. Da aus Mustern auszubrechen, erfordert Mut – aber man kann ja auch für sich einstehen, ohne den anderen vor den Kopf zu stoßen, unfreundlich oder gar grenzüberschreitend zu sein. Seine Grenzen freundlich und respektvoll zu stecken, ist oft erfolgreicher und einfacher als man sich das vorstellt.

Lucinde Hutzenlaub: Diesen Rat würde ich meinem 30-jährigen Ich heute geben

Welchen Ratschlag würdest du heute deinem 30-jährigen Ich geben?

Glaub an dich – und lass nicht die anderen definieren, wer und wie viel wert du bist, was du kannst oder was du für Träume haben solltest. Aber ganz ehrlich: Mit 30 war ich Mutter von drei sehr kleinen Kleinkindern. Da hätte ich vermutlich gesagt: Schlaf, wann auch immer du kannst, vergiss den Haushalt – und hab Vertrauen. In das Leben, in deine Kinder und vor allem auch in dich! 

Und welche 5 Dinge hättest du gerne schon mit 30 gewusst?

  1. Dass sich das Leben immer wieder ändert – und zwar auf die wundervollste und absurdeste Weise, wenn man nur offen dafür ist. 
  2. Dass meine Kinder wirklich toll werden, obwohl ich sie erziehe (lacht).
  3. Dass es sehr wohl eine große Liebe gibt.
  4. Was alles möglich ist, wenn man nur mutig genug ist, es zu versuchen.
  5. Dass es richtig ist, sich für die eigenen Werte einzusetzen und nach ihnen zu leben. 

"Wir haben nur dieses eine Leben – warum nicht das Beste daraus machen?": Lucinde Hutzenlaub über Mut & echte Zufriedenheit

Welche Rolle spielen soziale Medien und gesellschaftliche Rollenbilder beim Thema People Pleasung und Selbstliebe?

Kommt ganz auf die Generation an. Ich mag, dass junge Menschen sich so sehr für ihre Work-Life-Balance einsetzen, dass Elternzeit auch für Väter so viel einfacher geworden ist, dass Selbstliebe und "Me-Time" so selbstverständlich genommen wird.

Ich – und viele meiner Generation – bin da ganz anders sozialisiert. Ich finde, wir können viel von ihnen lernen. Aber umgekehrt auch. Manchmal ist mir die "Selbstliebe", die in den sozialen Medien so hochgehalten und zelebriert wird, tatsächlich fast ein bisschen viel und das Ganze ab und zu ein wenig oberflächlich. Eine gute Balance ist nie ein Fehler. 

Was müsste sich gesellschaftlich ändern, damit Frauen sich nicht ständig für ihr "Nein" rechtfertigen müssen?

Gute Frage. Ich weiß nicht, ob sich gesellschaftlich etwas ändern müsste. Ich glaube, es ist etwas, das jede*r nur für sich selbst ändern kann. Nein sagen üben, aushalten, wenn man vielleicht auch mal auf Ablehnung stößt – und die Idee loslassen, dass die Welt sich ohne uns nicht weiterdreht.  Dann ändert sich alles von selbst.

Was würdest du Frauen raten, die sich in ihrer Ehe über die Jahre selbst aufgegeben haben? Gerade auch im Hinblick auf den Partner/die Partnerin?

Ich habe ein Buch gelesen, in dem die Autorin, die selbst in der Palliativmedizin tätig ist, darüber geschrieben hat, was Sterbende am Ende ihres Lebens am meisten bereuen. Eine der fünf meistgenannten Dinge war, dass sie sich nicht selbst erlaubt haben, glücklich zu sein.

Ich glaube, man sollte immer wieder mit sich selbst in den Dialog gehen – und sich fragen: Wozu mache ich das oder jenes? Wenn man gute Gründe findet, ist ja alles okay. Ansonsten … ich bin ein großer Fan von Veränderungen und Mut. Wir haben nur dieses eine Leben (denke ich) – warum sollten wir nicht das Beste daraus machen? 

"Sich selbst trauen": Lucinde Hutzenlaubs schönstes Plädoyer für mehr Selbstvertrauen

Welche Werte möchtest du deinen Kindern mitgeben?

Mut. Loyalität. Wertschätzung. Empathie. Liebe. Aufrichtigkeit. In beliebiger Reihenfolge.

Achtest du bei deinen Töchtern besonders auf das Thema Selbstliebe oder unterscheidet sich das nicht je nach Geschlecht?

Nein, auf meinen Sohn muss ich da genauso aufpassen. Das hat ja nichts mit unserem Geschlecht zu tun, sondern mit unserer Persönlichkeit, der Erziehung und unserem Umfeld. Meine Kinder haben sehr feine Antennen für andere. Zwei haben soziale Berufe – und ich denke, bei den anderen wird es auch darauf hinauslaufen. Ich will ihnen gern ein Vorbild sein, wenn es darum geht, für die Menschen in ihrem Leben da zu sein – aber eben auch für den einen, den wichtigsten: sich selbst. 

Welche 3 Dinge möchtest du Frauen als Tipp mitgeben, die heute immer noch ein Tabu sind oder schöngeredet werden, von denen man sich aber eigentlich nicht stressen lassen sollte?

  1. Diese ganzen Glaubenssätze immer schön überprüfen: Der Klügere gibt nach, beispielsweise. Was für ein Irrtum. Kompromissbereit zu sein, ist toll. Aber immer nachgeben? Nein. Der Klügere gibt so lange nach, bis er der Dumme ist, sagt meine Freundin Nina immer – und ich befürchte, sie hat Recht.
  2. Verfolgt eure Träume! Wir haben alle so tolle Chancen – es ist völlig in Ordnung, sie auch zu nutzen.
  3. Freundinnen sind echte Lebensretterinnen. Hütet eure Frauenfreundschaften. Sie sind so kostbar. 

Welche praktischen Tipps oder Übungen kannst du Frauen in einer ähnlichen Situation an die Hand geben, um aus dem People Pleasing Kreislauf auszubrechen?

Überprüft, warum ihr dieses oder jenes tut: Weil ihr es wirklich tun wollt? Oder aus tausend anderen Gründen? Weil es schon immer so war? Man es von euch erwartet? Oder weil es niemand besser kann als ihr? Wenn – was auch immer es ist – euch glücklich, fröhlich oder zufrieden macht, tut es. Wenn das nur für die anderen gilt, überlegt zweimal…

Was möchtest du den Leser*innen mit deinem Buch in erster Linie mitgeben?

Selbstvertrauen. Vor allem im Sinne von: Sich selbst trauen. Vieles ist möglich. Das Leben ist meistens ganz schön schön. Und von immer einfach war nie die Rede.

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