Paarberater erklärt: So schützt du deine Beziehung vor dem Insta-Vergleich

Soziale Medien nehmen großen Einfluss auf unser Leben – auch auf unsere Beziehungen. Was das mit Paaren macht und welche Auswirkungen das haben kann, erklärt ein Experte.
Das perfekte Paar: Wo wird man fündiger, wie das auszusehen hat, als in den sozialen Medien? Laut aktuellen Zahlen einer repräsentativen Studie von Parship räumt jede siebte Person ein, sich von Fotos glücklicher Beziehungen beeinflussen zu lassen.
Keine Frage: Der Einfluss von Social Media auf Beziehungen ist beträchtlich – und er wächst weiter. Es wundert wohl niemanden ernsthaft, dass die weichgezeichneten Heile-Welt-Paar-Inszenierungen Auswirkungen auf die eigene Wahrnehmung einer idealen Partnerschaft haben.
Paarberater Eric Hegmann aus Hamburg bietet in seiner Modern Love School viele Online-Kurse rund um Beziehungsthemen an – die Social-Media-Problematik in Bezug auf Partnerschaften sind ihm nicht neu. Im Interview mit BILD der FRAU spricht der Beziehungs-Experte darüber.
Was der Einfluss von Social Media auf Beziehungen mit uns macht
BILD der FRAU: Lieber Herr Hegmann, woran merken Sie, dass Social Media Einfluss auf Paare nimmt?

Eric Hegmann: Immer mehr Paare und auch Einzelpersonen kommen in die Beratung und fragen, ob ihre Beziehung noch funktioniert oder die Partnerwahl richtig war, weil es nicht so euphorisch und glücklich läuft, wie sie sich das erhofft haben oder wünschen.
Immer häufiger wird nach meinem Eindruck und meiner Erfahrung ein Vergleich mit einer "gefühlten Norm" gemacht, die weniger die eigenen Beziehungserfahrungen berücksichtigt als einen Wunsch, wie die Beziehung sein sollte. Viele Paare sagen Sätze wie: "Ich sehe ja bei anderen Paaren ... " und "Ich weiß von FreundInnen ..." Gleichzeitig erlebe ich eine große Verunsicherung in Aussagen dieser Art: "Das müsste doch so oder so sein, oder nicht?"
Wann treten Zweifel an der Beziehung besonders häufig auf?
Anlässe für derartige Zweifel sind oft wichtige Stationen in der Beziehung – etwa zusammenzuziehen bzw. kurz nach dem Zusammenziehen oder vor Entschlüssen wie Verlobung, Hochzeit, Familiengründung, Wohneigentum...
Bei jedem Paar wird im Einzelfall dann geprüft, was sich geändert hat, was sich vorher gut und jetzt nicht mehr gut anfühlt. Häufig sind Nähe-Distanz-Bedürfnisse die Ursache: Jeder wünscht sich gleichzeitig innige Verbindung und Verschmelzung, aber eben auch Freiraum und Selbstbestimmung. Immer dann, wenn eine Veränderung für weniger Autonomie sorgte, wird automatisch verglichen, ob es diesen Einschnitt wert ist.
Auch offensichtlich gestellte Fotos haben oft eine Wirkung
Und diese Zweifel schüren die sozialen Medien?
Das ist sicher nicht die einzige Erklärung, aber doch eine, die mit Nutzung von Social Media zusammengeht: Die Bilder von anderen Paaren, die vermeintlich authentischen Glücksmomente, die andere erleben, werden mit dem eigenen Erleben abgeglichen und dieses dann als weniger befriedigend bewertet.
Die Betroffenen wissen sehr wohl, dass es sich mitunter auch um gestellte Momentaufnahmen handelt, dennoch haben sich diese wunderbaren Situationen wie romantische Urlaubsfotos an den schönsten Orten der Welt, zu denen sich die PartnerInnen an den Händen förmlich ins Bild ziehen, ins kollektive Gedächtnis eingebrannt.
Sie werden immer mehr zu einer Benchmark, also zu etwas, das man als Paar auch erleben muss. So genannte Bucketlists (also Listen mit Dingen, die man getan haben muss) für Paare sind immens erfolgreich und gesucht im Internet.
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Dopamin-Kick durch soziale Medien kann regelrecht süchtig machen
Wie kommt es, dass der Einfluss von Social Media so groß und auch gefährlich werden kann?
Studien haben gezeigt, dass Menschen soziale Medien vor allem dann nutzen, wenn sie sich eine Stimmungserhellung, also einen Dopamin-Kick, erhoffen. Gerade Dopamin befeuert das Belohnungszentrum im Gehirn und unterstützt Suchtverhalten, deshalb machen soziale Medien so süchtig danach, sie immer wieder aufzurufen.
Bei neutraler Stimmung würde ein Bild eines glücklichen Paares den Wunsch auslösen: "Die haben es schön. Das möchte ich auch!" Aber weil wir nun einmal soziale Medien gerade nicht nutzen, wenn es uns richtig gut geht, sondern wenn wir auf Dopamin-Entzug sind, denken wir noch negativer: "Warum habe ich das nicht? Was läuft falsch bei mir?"
Wir zweifeln an uns, an unserem Partner, an unseren Lebenszielen und Möglichkeiten. Und dann versuchen wir, einem künstlichen Ideal nachzueifern, um mithalten zu können und uns besser zu fühlen. Ich nenne diesen Effekt die "Disneyfizierung der Liebe". ElitePartner hat in einer Studie meinen Begriff genutzt, meine These überprüft und bestätigt: (Soziale) Medien prägen zunehmend die Wahrnehmung von Beziehungen.
Auch Erwachsene brauchen mehr Medienkompetenz
Wie können Paare lernen, besser mit sozialen Medien umzugehen?
Soziale Medien gehen nicht mehr weg – und sie machen ja auch Spaß. Aber man sollte sich deren Auswirkungen und Einflüsse stärker bewusst werden, um nicht in ein Beziehungstief zu rutschen, das es objektiv betrachtet gar nicht gibt, sondern dass durch Vergleiche mit künstlichen Wahrheiten entstanden ist. Auch Erwachsene benötigen hier mehr Medienkompetenz. Denn wenn man sich ansieht, in welch kurzer Zeit soziale Medien wie Facebook, Instagram, Tiktok und Co. eine so große Rolle in unserem Leben eingenommen haben, sind die weitreichenden Folgen noch nicht untersucht.
Ich rate allen Menschen in einer Partnerschaft: Stärken Sie Ihre Beziehung durch echte gemeinsame Erlebnisse und Erfahrungen. Das sollten zum einen bewährte Rituale sein, die Vertrautheit und Geborgenheit geben, zum anderen neue Unternehmungen, in denen man sich und den/die PartnerIn neu erleben kann, denn das schafft eine sichere Verbindung zwischen den beiden, die dann auch Veränderungen nicht bedrohlich erscheinen lässt.
➔ Mehr Infos zu unserem Experten Eric Hegmann findest du hier, und hier geht's zur Modern Love School. Dort gibt es auch passende Online-Kurse zum hier besprochenen Thema.
Tja, sprachlos in der Beziehung, das geht auch noch anders... Noch mehr zum Thema:
- Nie wieder Funkstille! So findet ihr als Paar endlich wieder die Sprache
- Manchmal liegt es auch einfach an der Wortwahl. Bevor ein Beziehungsstreit eskaliert: Dieser Satz hilft fast immer.
- Apropos die richtigen Worte finden: Männer sagen nicht immer gern oder oft genug "Ich liebe dich", auch wenn sie es eigentlich meinen. Welche ihrer Sätze aber quasi gleichbedeutend sind.