Herzkatheter-OP: Welche Risiken hat der Eingriff?
Mehr als 700.000 Herzkatheter setzen deutsche Kardiolog*innen jedes Jahr: Wie die OP abläuft und was du über Risiken und Komplikationen wissen musst, liest du hier.
"Wir müssen einen Herzkatheter legen": Menschen, die von einem Herzspezialisten oder einer Herzspezialistin (Kardiolog*innen) diesen Satz hören, sind verständlicherweise erst einmal tief beunruhigt. Vor allem, wenn sie bislang weder selbst noch im Familien- oder Bekanntenkreis Erfahrungen mit einer Herzkatheter-OP gesammelt haben und die Risiken des Eingriffs nicht kennen. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum Thema Herzkatheter.
Was ist ein Herzkatheter?
Ein Herzkatheter ist ein langer, flexibler Kunststoffschlauch von etwa drei Millimetern Durchmesser (ähnlich wie ein Spaghetti), der unter Röntgen-Durchleuchtungskontrolle über eine Arterie oder Vene bis zum Herzen eingeführt wird. Ziel einer Herzkatheter-Operation ist es, krankhafte Veränderungen an den Herzkranzgefäßen, den Herzklappen, dem Herzmuskel oder den Herzkammern zu erkennen und bei Notwendigkeit unmittelbar zu behandeln. Grundsätzlich unterscheidet man also diagnostische und therapeutische Herzkatheter.
Soll der rechte Herzanteil vom Kardiologen oder der Kardiologin in Augenschein genommen werden, spricht man von einem Rechtsherzkatheter. Dieser überprüft die Druckverhältnisse im rechten Herzvorhof und den Lungenarterien und wird über eine Vene am Arm eingeführt.
Will der Facharzt oder die Fachärztin den linken Teil des Herzens untersuchen, macht er/sie eine Linksherzkatheter-Untersuchung. Mögliche Zugänge für den Katheter sind hier die Arterien am Handgelenk, in der Ellenbeuge oder in der Leiste. Linksherzkatheter kommen deutlich häufiger vor als Rechtsherzkatheter, weil mit ihnen unter anderem die Herzkranzgefäße (Koronararterien) untersucht und behandelt werden, die durch entzündlich bedingte Wandverdickungen, Fettablagerungen und Verkalkungen oft verengt oder durch plötzliche Gerinnsel sogar vollständig verschlossen sind.
Die Untersuchung der Koronararterien mittels Linksherzkatheter nennt man Koronarangiographie. Beurteilt der Kardiologe oder die Kardiologin die linke Herzkammer und die Funktion ihrer Herzklappen, wird dies als Laevokardiographie oder Ventrikulographie bezeichnet.
Wo findet die Herzkatheter-OP statt?
Herzkatheter werden in spezialisierten kardiologischen Zentren (Kliniken oder Praxen) durchgeführt. Die Untersuchungseinheit wird Herzkatheter-Labor oder -Messplatz genannt. Solche Untersuchungsräume sind unter anderem mit Liege, Bildschirmen und einer großen, beweglichen Röntgenanlage ausgestattet.
Das "Kathetern", wie es im Ärztejargon oft genannt wird, geschieht minimalinvasiv, also ohne größere Schnitte: Als bester und für den Patienten/ die Patientin günstigster Zugang für einen Linksherzkatheter gilt heute die Arterie am Handgelenk (Arteria radialis). Wird der Katheter hier gesetzt (radial), kann das Risiko für Nachblutungen äußerst gering gehalten werden.
Wie läuft eine Linksherzkatheter-Operation ab?
Nachdem der Patient oder die Patientin mit sterilen Tüchern abgedeckt ist, wird mit einem winzigen Schnitt die vorgesehene Arterie freigelegt (Punktion). Mithilfe einer dickeren Kunststoffkanüle führen die Kardiolog*innen anschließend eine sogenannte Schleuse ein, über die er/sie den Katheter unter Röntgenkontrolle vorsichtig bis zur linken Herzseite vorschiebt.
Für Punktion und Einsetzen der Schleuse wird die jeweilige Körperstelle örtlich betäubt, sodass in der Regel nur ein leichter Druck zu spüren ist. Das Einführen des Herzkatheters ist für Betroffene praktisch schmerzlos.
Hat der Katheter sein Ziel erreicht, kann durch Anschließen eines Messgeräts der Druck in der Hauptschlagader (Aorta), in der linken Herzkammer, im linken Vorhof und in der Lungenvene bestimmt werden. So stellen die Kardiolog*innen beispielsweise fest, ob eine Herzklappe verengt ist oder nicht richtig schließt.
Was sind mögliche Begleiterscheinungen der Herzkatheter-Untersuchung?
Während der Herzkatheter-Untersuchung wird ein Kontrastmittel über den Schlauch eingespritzt. Damit „färbt“ man die Innenräume des Herzens an und macht auf dem Röntgenbildschirm alle wichtigen Strukturen sichtbar. Die in mehreren Ebenen des Raumes angeordneten, beweglichen Röntgenröhren speichern aus verschiedenen Blickwinkeln fortlaufend Videoaufnahmen.
Beim Einspritzen des Röntgenkontrastmittels empfinden viele Patient*innen ein Wärmegefühl, das sich im Körper ausbreitet. Während der Untersuchung befindet sich die Katheterspitze direkt in einer der Herzkammern, sodass sie unter Umständen auch den Herzmuskel berührt. In diesem Fall haben viele Patient*innen den Eindruck, ihr Herz würde ins Stolpern geraten. Herzrhythmusstörungen während der Herzkatheter-OP können unangenehm sein, sind aber in der Regel harmlos.
Während der gesamten Untersuchung wird die Herzfunktion mittels Elektrokardiogramm (EKG) überwacht. Der Patient oder die Patientin ist wach, kann mit dem durchführenden Kardiologen oder der Kardiologin und den Pfleger*innen sprechen und Anweisungen ausführen. Wer große Angst vorm Herzkatheter hat, sollte beim OP-Vorgespräch nach einem Beruhigungsmittel fragen.
Was versteht man unter Herzkatheter-Stent und Ballon-Dilatation?
Hat der Kardiologe oder die Kardiologin eine Diagnose gestellt, kann er/sie mit dem Patienten oder der Patientin an Ort und Stelle die weitere Vorgehensweise besprechen. Oft bietet es sich an, eine Behandlung per Katheter direkt anzuschließen – zum Beispiel, wenn kritische Engstellen in den Herzkranzgefäßen beseitigt werden müssen, um den Blutfluss nicht zu gefährden. Bei einer Ballon-Dilatation, auch Angioplastie oder Percutane Coronare Intervention (PCI) genannt, wird ein zusammengefalteter Ballon durch den Katheter in der Engstelle platziert und aufgepumpt.
Der Druck des Ballons auf die Gefäßwand soll Ablagerungen platt drücken. In der Regel wird unmittelbar im Anschluss eine gitterartige Gefäßstütze aus Metall über den Herzkatheter eingeführt und in Höhe der Verengung (Stenose) entfaltet. Sie wird als Stent bezeichnet und soll die betroffene Arterie dauerhaft offen halten. Bei einer komplexen Stenose, wenn also mehr als ein Gefäß betroffen ist, wird oft eher eine Bypass-Operation angeraten.
Sind Untersuchung und gegebenenfalls auch Behandlung per Ballon-Dilatation und Stent abgeschlossen, wird der Herzkatheter behutsam entfernt. Nach dem Ziehen von Kanüle und Schleuse wird an der Stelle der Punktion ein Druckverband angelegt, was sich am Handgelenk in der Regel am leichtesten bewerkstelligen lässt. Wird der Eingriff über die Leiste vorgenommen, muss der Patient oder die Patientin im Anschluss mit einer Kompresse länger liegen, um Nachblutungen zu vermeiden.
Herzkatheter: Dauer des Eingriffs?
Die Dauer einer Herzkatheter-Untersuchung ist vom Gesundheitszustand der Patient*innen und der Komplexität des Falls abhängig. Als Faustregel gilt, dass die Vorbereitung des Eingriffs etwa 15 Minuten, die reine Untersuchungszeit etwa zehn und das Entfernen der Schleuse plus Nachsorge noch einmal etwa zehn Minuten in Anspruch nimmt. Sind therapeutische Maßnahmen wie Ballon-Dilatation und Stent-Implantation notwendig, bringt der Patient in der Regel etwa eine Viertelstunde länger im Herzkatheter-Labor zu.
Welche Herzkatheter-Komplikationen können auftreten?
Auch wenn es sich bei der Herzkatheter-OP um einen minimalinvasiven Eingriff handelt, können Komplikationen auftreten, wie zum Beispiel:
- Blutergüsse und Blutungen am Katheter-Zugang
- Allergien durch das Röntgenkontrastmittel (Hautausschlag, Nesselsucht, Kreislaufbeschwerden, Blutdruckabfall)
- allgemeine Unverträglichkeiten (Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Schwindel, Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit)
- Schilddrüsenprobleme aufgrund des im Kontrastmittel enthaltenen Jods
- Aussackungen der Gefäßwand (Aneurysmen)
- Gefäßeinrisse (Dissektionen) einer Herzkranzarterie (insbesondere nach Ballon-Dilatation)
- Nervenverletzungen
- in extrem seltenen Fällen: Herzstillstand, Embolien mit Schlaganfall, Thrombosen
Schmerzen nach Herzkatheter: Arm-Beeinträchtigung normal?
Immer wieder klagen Patient*innen nach einem (radial) gesetzten Herzkatheter über anhaltende Schmerzen im entsprechenden Arm. In diesem Fall sollte, wie bei anderen Herzkatheter-Komplikationen und Auffälligkeiten auch, ein Facharzt hinzugezogen werden. Meist sind die Schmerzen am Arm harmlos und verschwinden nach einer gewissen Zeit von selbst wieder. Manchmal handelt es sich um eine Gefäßwand- oder Nervenreizung durch den Herzkatheter. Kühlende Umschläge unmittelbar nach der Herzkatheter-OP können vorbeugen und Schmerzen lindern.
Werden Herzkatheter auch ambulant gelegt?
Laut der offiziellen Leitlinie "Diagnostische Herzkatheter-Untersuchung" aus dem Jahr 2008 ist eine ambulante Durchführung von Linksherzkatheter-Untersuchungen prinzipiell möglich. Bedingungen sind:
- ausreichender Allgemeinzustand
- der/die Patient*in befolgt Anordnungen der Ärzt*innen
- eine sichere Nachsorge zu Hause ist gewährleistet
- keine stationäre Behandlung vor der Herzkatheter-Untersuchung notwendig
- bei der Herzkatheter-Untersuchung und in der ersten Nachüberwachungsphase treten keine Komplikationen auf
- das Untersuchungsergebnis erfordert keine sofortige stationäre Überwachung
Wichtig ist, dass nach einer Herzkatheter-OP die vorgeschriebenen Liegezeiten nach dem Eingriff eingehalten werden (zwischen drei und sechs Stunden) und sich nach dem Aufstehen noch für mindestens eine halbe Stunde im Überwachungsbereich der durchführenden Klinik oder Praxis aufgehalten wird. Wie bei jeder anderen ambulanten OP ist eine Begleitperson für den Weg nach Hause notwendig. Ein Auto selbst zu steuern ist nach der Herzkatheter-OP für 24 Stunden nicht erlaubt.
Wurde der Katheter über die Leiste (femoral) gelegt, darf der/die Betroffene außerdem drei Tage lang nicht schwer heben und muss körperliche Anstrengung vermeiden, da sonst das Nachblutungsrisiko (aus der Einstichstelle ins Leistengewebe) steigt.
Wenn im Zuge der Herzkatheter-OP ein Stent implantiert wurde, kann der/die Patient*in am Folgetag entlassen werden, sofern er stabil ist und keine Komplikationen (wie zum Beispiel Blutgerinnsel, auch Stent-Thrombosen genannt) aufgetreten sind. Stent-Thrombosen stellen ein wichtiges Herzkatheterrisiko dar und können auch in größeren Zeitabständen nach einer Herzkatheter-Stent-OP auftreten. Deshalb sind nach entsprechenden Eingriffen gerinnungshemmende Medikamente erforderlich.
Herzkatheter-OP: Risiken und Nutzen in der Diskussion?
Da die Risiken einer Herzkatheter-OP insgesamt gering sind, gilt das "Herzkathetern" bei entsprechender Indikation als wichtige und sichere Untersuchungs- und Behandlungsmethode. Bei akuten Notfällen wie einem Herzinfarkt gibt es keine Alternativen zum Herzkatheter. Das Sterbe-Risiko liegt beim therapeutischen Herzkatheter unter 0,5 Prozent, wobei in die Statistik schwerkranke Patient*innen mit einbezogen sind.
Herzinfarkte können dabei allerdings unterschiedliche Ursachen haben – neben Ablagerungen in Gefäßen spielen auch emotionaler Stress vor dem Herzinfarkt oder das Broken-Heart-Syndrom eine Rolle.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden 2017 in Deutschland 903.000 Herzkatheter-Untersuchungen allein bei vollstationären Patient*innen durchgeführt. Damit hat Deutschland im europäischen Vergleich die mit Abstand höchste Herzkatheter-Rate. Einige Expert*innen bezweifeln, dass alle in Deutschland durchgeführten Herzkatheter-Untersuchungen notwendig und sinnvoll sind. Die Sterblichkeit an Herzkranzgefäß-Erkrankungen wie der Koronaren Herzkrankheit ist in Ländern, wo nur halb so viele Herzkatheter-OPs wie in Deutschland durchgeführt werden, in etwa gleich hoch.
Dagegen stellt die "Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e. V." auf der Grundlage einer Auswertung evidenzbasierter Daten aus dem Jahr 2011 fest: "Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Herzkatheter-Untersuchungen in Deutschland qualitätsvoll und sicher durchgeführt werden. Gelegentlich pauschal erhobene Einwände, dass zu viele derartige Eingriffe durchgeführt werden, lassen sich anhand der Qualitätsdaten nicht nachvollziehen."
Patient*innen, die unsicher sind, ob eine geplante Herzkatheter-OP tatsächlich sinnvoll ist, sollten einen zweiten Kardiologen oder eine Kardiologin um seine/ihre Einschätzung bitten. Das Einholen solcher Zweitmeinungen wird von den Krankenkassen ausdrücklich gefördert und bezahlt.
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