Ministerin Lisa Paus: Diese tollen Frauen zu treffen – darauf freue ich mich riesig!
Bei unserer Gala am 20. November wird die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend den Publikumspreis überreichen – und dabei noch mal das Engagement aller Preisträgerinnen würdigen. Warum ihr das wichtig ist, erklärt Lisa Paus (56) hier.
Sandra Immoor und Alexandra Kemna haben Lisa Paus, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, zum Interview getroffen. Welche Themen bewegen, liest du hier.
GOLDENE BILD der FRAU: Liebe Frau Ministerin, warum übernehmen Sie diese Aufgabe so gern?
Ministerin Lisa Paus: Es passt einfach wunderbar! Ich bin in meinem Amt auch Frauengleichstellungs-Ministerin und Engagement-Ministerin – die GOLDENE BILD der FRAU verbindet diese beiden Themengebiete perfekt. Darum bin ich von Herzen gern dabei.
Die erste Gold-Gala für Lisa Paus
Es ist Ihre erste Gold-Gala – worauf freuen Sie sich am meisten?
Darauf, diese tollen Frauen kennenzulernen! Ich kenne die Projekte der Preisträgerinnen bisher nur vom Papier – bin aber jetzt schon begeistert. Ich selbst könnte mich nicht entscheiden, wer den zusätzlichen Publikumspreis gewinnen soll … Diese Frauen, die hinter den großartigen Ideen und Initiativen stehen, jetzt treffen zu können – darauf freue ich mich wirklich sehr!
Hat eines der Projekte Sie besonders berührt?
Alle fünf kümmern sich um sehr wichtige gesellschaftliche Themen – von Alterseinsamkeit bis Long Covid! Die Initiative „HateAid“, die sich gegen Hass und Hetze im Internet stemmt, die kannte ich tatsächlich schon aus anderen
Zusammenhängen. Das Thema ist ja auch gerade traurig aktuell …
Wie gehen Sie selbst mit Hasskommentaren um?
Ich versuche, das nicht zu sehr an mich heranzulassen. Aber es ist schlimm, wie tief Hemmschwellen gesunken sind. Besonders Frauen sind betroffen, und nicht jede steckt das einfach weg. Da geht es in den sozialen Kanälen oft unter die Gürtellinie, ins Sexistische, gegen Persönlichkeitsrechte, Qualifikationen werden abgesprochen – all das kann sehr verletzend sein. Dagegen muss man sich wehren.
Der Umgangston in der Politik …
… ist oft auch nicht der allerfeinste. Das geht offener und wertschätzender.
Freiwilliges Soziales Jahr nach dem Abitur
Sie haben nach dem Abitur ein Freiwilliges Soziales Jahr im Hamburger Kinderheim St. Elisabeth absolviert. Was hat Ihnen diese Zeit gegeben?
Unglaublich viel. Die Kinder im Heim kamen aus schwierigsten Situationen, da ging es um sexuellen Missbrauch, häusliche Gewalt, Drogenmissbrauch. Das war erschütternd. Aber auch bewegend mitzuerleben, wie sehr die Gemeinschaft in der Gruppe, die Förderung und das Vertrauen durch die Erzieherinnen ihnen geholfen haben. Die Erkenntnis, dass es sich lohnt, um jeden Menschen zu kämpfen, und dass man mit seinem Engagement einen Unterschied machen kann – die habe ich für immer mitgenommen.
Und das Wissen, wie hart der Alltag für benachteiligte Kinder sein kann?
Unbedingt. Ich weiß, was Armut mit Kindern machen kann, wie sie ausgegrenzt, nicht zu Geburtstagen eingeladen, wie ihnen Zukunfts-Chancen genommen werden. Jetzt beginnt die kalte Jahreszeit. Wenn Kinder mit den abgetragenen Winterschuhen ihrer großen Geschwister in die Schule kommen müssen, weil die Eltern sich neue Schuhe nicht leisten können, dann macht das etwas mit Kindern. Diese fatale Vorstellung „Ich habe Eltern, die haben nichts, also sind die nichts – also kann ich auch nichts“, die steckt in zu vielen Kinderseelen fest. Das ist dramatisch unfair. Jedes Kind hat das Recht auf eine gute Zukunft. Darum kämpfe
ich so für die Kindergrundsicherung.
Bei der es Widerstände gibt.
Wir dürfen nicht vergessen, was bereits unternommen wurde. Nehmen wir das Beispiel Kindergeld: Wir haben das Kindergeld deutlich aufgestockt. Schon zum Januar 2023 haben wir das Kindergeld für die ersten beiden Kinder von zuvor 219 Euro auf 250 Euro deutlich erhöht – eine Steigerung, wie es sie seit 1996 nicht gegeben hat. 2025 wird es erneut eine Erhöhung auf 255 Euro Kindergeld geben.
Würden Sie ein soziales Pflichtjahr einführen, damit jeder solche Erfahrungen sammeln kann?
Nein, ich bin gegen eine Pflicht. Aber für das Recht auf einen Freiwilligendienst. Zurzeit gibt es rund 90 000 Plätze, die mein Ministerium fördert, aber noch mehr Interessenten. Da fehlen uns aktuell leider die Mittel, alle zu bedienen. Ich hätte aber gern mehr Plätze.
Wo Ehrenamtliche Unterstützung finden
Viele Preisträgerinnen klagen über zu viel Bürokratie rund um das Ehrenamt.
Das verstehe ich gut! Ich habe früher lange auch Steuergesetze betreut, daher weiß ich, worüber Ehrenamtliche stöhnen. Aber es gibt jetzt konkrete Hilfe: die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt in Neustrelitz! Dort finden Ehrenamtliche kostenlos Unterstützung in Rechts- und Versicherungsfragen und bei der Digitalisierung, Seminare und vieles mehr. Im Dezember wird mein Ministerium außerdem eine neue Ehrenamtsstrategie vorstellen.
Können Sie dazu schon mehr sagen?
Da bitte ich noch um ein wenig Geduld. Nur so viel: Wir haben uns dafür mit rund 8500 Hinweisen und Forderungen von Ehrenamtlichen beschäftigt.
Sollten auch Unternehmen mehr für Mitarbeiter tun, die neben dem Job ein Ehrenamt innehaben?
Ja, hier geht es um Vereinbarkeit. Gerade Frauen sind schon mehrfach belastet mit Kindererziehung, Beruf, Haushalt, oft noch Pflege der Eltern – ein Ehrenamt ist da ein zusätzlicher Zeitfaktor und eine weitere Kraftanstrengung. Auch wenn das Ehrenamt einem viel zurückgibt und glücklich macht. Arbeitgeber sollten Flexibilität ermöglichen, ehrenamtliches Engagement bei Einsatzplänen mitdenken. Und sich über Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter freuen, die helfen, dem Land ein menschliches Gesicht zu geben.
Nachwuchssorgen beim Ehrenamt
Wie alle „Branchen“ hat auch das Ehrenamt Nachwuchssorgen. Wie kriegen wir junge Leute dazu, sich in der Freizeit für andere zu engagieren?
Ein Freiwilligendienst wäre da ein toller Anfang! Sehr viele Freiwillige bleiben auch danach in ihrer Freizeit engagiert. Außerdem gibt es seit Corona mehr Organisationen, bei denen man sich über digitale Plattformen auch zeitlich begrenzt einbringen kann, sich also nicht gleich auf lange Zeit verpflichten muss. Der „Berliner Obdachlosenhilfe e. V.“ beispielsweise hat einen digitalen Terminkalender, hier können sich Ehrenämtler zur Unterstützung der Essensausgabe an hilfsbedürftige Menschen online anmelden. Diese digitalen Tools sind ideale Brückenbauer. Sie bringen engagierte Freiwillige schnell und unbürokratisch zusammen, um bei Projekten mitzuhelfen.
Ehrenamtliche im Rettungsdienst haben immer öfter mit Pöbeleien und Übergriffen zu tun. Wie wütend macht Sie das?
Das macht mich fassungslos! Jeder weiß doch, dass er womöglich schon morgen selbst Hilfe und Helfer braucht. Darum bin ich froh, dass wir seit September eine Gesetzesverschärfung haben, die auch Menschen im Ehrenamt besser schützt. Ein Angriff auf sie ist keine Bagatelle, sondern eine Straftat, die klar geahndet wird.
Haben Sie selbst schon mal von ehrenamtlicher Hilfe profitiert?
Ja, früher in Sportvereinen. Ich bin auf dem Dorf groß geworden, habe als Jugendliche Volleyball und Tennis gespielt, da gab es tolle Trainer, die nach Feierabend für uns da waren. Das hat man viel zu selbstverständlich genommen, das merken wir seit Corona einmal mehr: Heute fehlt fast eine Generation von Übungsleitern, weil die Freiwilligen in der Pandemie ihre Scheine nicht machen konnten. Auch mein Sohn hat lange auf seinen Schwimmkurs warten müssen.
Frau Paus, haben Sie ein persönliches Vorbild?
Eigentlich tue ich mich mit der Frage eher schwer – aber nun hatte ich vor Kurzem die Ehre, Margot Friedländer* kennenzulernen. Was für eine Frau! Ihre große Botschaft ist Liebe und gegen das Vergessen. So glaubwürdig, herzensklug, gut und weise. Definitiv ein großes Vorbild für mich.
* Anm. der Red: Margot Friedländer (102) ist eine deutsche Überlebende des Holocaust, die ihre Erinnerungen als Zeitzeugin mit jungen Menschen teilt – und sich für Versöhnung, Frieden und Nächstenliebe einsetzt.
Redakteurinnen: Sandra Immoor und Alexandra Kemna