Vom tiefsten Punkt zum Neustart: Eine junge Frau über ihren Weg mit Lipödem

Lipödem schon in jungen Jahren: Keine Frau ist davor gefeit! Laura Bernunzo über ihren Kampf mit der Fettverteilungsstörung, den Wendepunkt durch die OP – und wie sie heute anderen Frauen Mut macht.
Etwa jede zwölfte Frau in Deutschland ist von Lipödem betroffen – einer chronischen Fettverteilungsstörung, die meist erst nach vielen Jahren erkannt wird. Nicht nur die körperlichen Schmerzen sind eine Belastung. Auch psychisch geraten viele Betroffene an ihre Grenzen: Frustration, Selbstzweifel und das Gefühl, dem eigenen Körper ausgeliefert zu sein, gehören für viele zum Alltag.
Eine, die das alles durchlebt hat, ist Laura Bernunzo. Jahrelang versuchte sie, mit Sport und Diäten gegen ihr Lipödem anzukämpfen – ohne Erfolg. Heute spricht sie offen darüber, wie sie es geschafft hat, wieder Vertrauen in sich und ihren Körper zu fassen.
Wie diese junge Frau mit Lipödem umgeht: Interview mit einer Betroffenen
BILD der FRAU: Liebe Laura, du hast das Lipödem schon als Kind bemerkt. Was hat dich in dieser Zeit besonders belastet?
Laura Bernunzo: Ich habe früh gemerkt, dass meine Beine anders aussehen als die der anderen Mädchen in meiner Klasse. Ich habe auch zwei Schwestern, deren Beine immer viel schmaler waren als meine. Das hat mich damals wahnsinnig verunsichert.
Auch als ich als Teenagerin die ersten Male mit meinen Freundinnen shoppen gegangen bin, fand ich nichts, was mir richtig passte. Ich verstand nie, was an mir anders war.
Wie fühlt es sich an, wenn man merkt: Mein Körper verändert sich, aber niemand nimmt meine Beschwerden wirklich ernst?
Man hört auf, anderen Meinungen Glauben zu schenken. Die Ärztinnen und Ärzte sagten mir, es sei alles vollkommen normal, aber ich habe gespürt, dass etwas nicht stimmte. Deshalb habe ich versucht, das Problem selbst zu lösen.
In dieser Zeit bin ich zu einer echten Recherche-Queen geworden, weil ich unbedingt herausfinden wollte, was mit meinem Körper los war. Ich suchte nach Frauen, die Ähnliches erfahren hatten. Ich habe so viel zum Thema Lipödem gelesen, dass ich schnell eine echte Expertin geworden bin.
Entscheidung für die OP: als ich meine Jeans nicht mehr ausziehen konnte
Gab es einen Moment, in dem du dachtest: Ich kann einfach nicht mehr?
Es gab viele schwere Momente, die mir während der zehn Jahre Kampf in Erinnerung geblieben sind. Aber der entscheidende Moment für mich war, als ich nach einem langen Tag nach Hause kam und vergeblich versucht habe, meine Jeans auszuziehen.
Meine Beine waren so angeschwollen, dass ich sie nicht mehr ausziehen konnte. Am selben Abend entschied ich mich dann endgültig für die OP.
Was war für dich der seelisch schwerste Teil der Erkrankung – das Körpergefühl, der Blick anderer oder der ständige Kampf mit dir selbst?
Am Anfang hat mich vor allem der optische Aspekt sehr verunsichert – ich fühlte mich einfach ständig unwohl in meiner Haut. Mit der Zeit war es jedoch vor allem der innere Kampf mit mir selbst, der am schwersten wog.
Ich habe so viel Sport gemacht und enorm auf meine Ernährung geachtet, aber es hat sich einfach nichts verändert. Dieses Gefühl lässt sich vergleichen mit dem Versuch, über Jahre hinweg für ein Traumhaus zu sparen – nur um jedes Wochenende ausgeraubt zu werden und wieder bei null anzufangen. Man steckt all seine Energie hinein, doch sie wird einem immer wieder entzogen. Irgendwann ist man so erschöpft, dass man am liebsten aufgeben und seine Träume begraben würde, einfach weil man die ständigen Rückschläge nicht mehr ertragen kann.
Wie hat sich dein Leben nach der Diagnose verändert – und was hättest du dir in dieser Zeit gewünscht?
Es hat sich einfach alles verändert – in meinem Leben ging regelrecht die Sonne auf. Nach der OP hatte ich plötzlich wieder Lust auf Mode und aufs Shoppengehen. Vor allem konnte ich mich besser bewegen und hatte nach Jahren endlich keine chronischen Schmerzen mehr.
Und es passierte etwas Unerwartetes: Zum ersten Mal in meinem Leben fühlte ich mich weiblich und hübsch. Ich fing an, selbstbewusst in den Spiegel zu schauen. Dieses Gefühl kannte ich bis dato nicht. Ich fühlte mich energetisch wie nie zuvor und konnte das auch meiner Außenwelt widerspiegeln.
Endlich wieder selbstbewusst und energiegeladen
Du hast viele Diäten und extremen Sport gemacht – in der Hoffnung, es irgendwie in den Griff zu bekommen. Was möchtest du anderen Frauen sagen, die gerade in dieser Spirale stecken?
Ihr seid nicht selbst an eurem Leiden schuld! Das möchte ich ihnen vor allem sagen. Natürlich kann man trotzdem etwas für sich und seinen Körper tun. Als Ernährungsberaterin rate ich Betroffenen dazu, auf eine protein- und ballaststoffreiche Ernährung zu setzen. Damit kann man nie etwas falsch machen. Außerdem empfiehlt es sich, auf sich selbst Acht zu geben und einen gesunden Lebensstil dauerhaft beizubehalten.
Wann hast du zum ersten Mal gespürt: Jetzt gehe ich meinen Weg – ich lasse mir helfen, ich kämpfe nicht mehr allein?
An meinem tiefsten Punkt, an dem ich mich dann für die OP entschieden habe. Ich musste auch nicht mehr groß recherchieren, ich wusste genau, was zu tun war.
Die Liposuktion war ein Wendepunkt für dich. Was hat sich nach dem Eingriff körperlich – und auch innerlich – verändert?
Durch die körperlichen Veränderungen habe ich mich endlich weiblich und feminin gefühlt. Besonders toll war, dass ich alles tragen konnte, was ich wollte. Gerade im Bereich Mode – einer meiner großen Leidenschaften – waren mir plötzlich keine Grenzen mehr gesetzt.
Innerlich fühlte ich mich wieder selbstbewusst, voller Energie und Tatendrang. Zuvor steckte ich in einer unglücklichen Ehe, in der ich mich selbst völlig verloren hatte. Mit der Zeit lernte ich, mich von Menschen zu lösen, die mich herunterziehen – und fand so Schritt für Schritt wieder zu mir selbst.
Der Austausch mit Betroffenen war für mich enorm wichtig
Viele Betroffene haben Angst vor einer OP. Was kannst du ihnen aus deiner Erfahrung mitgeben?
Die Angst vor dem Eingriff ist natürlich berechtigt. Ich würde den Frauen ans Herz legen, eine Ärztin oder einen Arzt zu finden, der oder dem sie vertrauen und die oder der mit der gewünschten Technik arbeitet.
Ich habe mich damals nach langer Recherche für die Laserlipolyse von S-thetic entschieden, da sie eben nicht nur eine Fettabsaugung, sondern auch gleichzeitig eine Hautstraffung beinhaltet. Das Ganze war außerdem ohne Vollnarkose, was mir sehr zusagte. Ich empfehle außerdem, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen, die einen ähnlichen Weg gegangen sind und einem selbst ein positives Gefühl geben können.
Was hat dir emotional geholfen, wieder Vertrauen in deinen Körper zu fassen – und in dich selbst?
Dass ich meinen eigenen Weg gefunden habe und nicht aufgegeben habe, hat mir emotional enorm geholfen. Während der Operation war ich außerdem durch die lokale Betäubung wach und konnte alles bewusst miterleben. So hatte ich das Gefühl, die volle Verantwortung für den Prozess zu übernehmen, und ich habe gemerkt, dass mein Körper das schafft. Das wurde zu einer Erfahrung, die mich nachhaltig bestärkt hat.
Heute begleitest du andere Frauen durch genau diesen Prozess. Was sind die häufigsten Sorgen deiner Patientinnen – und wie versuchst du, ihnen die Angst zu nehmen?
Viele Patientinnen haben Angst, nach der OP nicht ihren Wunschkörper zu erreichen. Dabei ist es sehr wichtig, sich nicht mit anderen, sondern ausschließlich mit sich selbst und der eigenen Ausgangsposition zu vergleichen. Jeder Körper ist individuell und reagiert unterschiedlich auf den Eingriff.
Außerdem fürchten sich viele vor der Operation selbst oder davor, durch den Heilungsprozess zu lange auszufallen und dadurch anderen zur Last zu fallen. In solchen Fällen erkläre ich, dass die Erholungszeit bei der Methode der Laserlipolyse kurz ist und die meisten Patientinnen bereits nach 48 Stunden wieder arbeitsfähig sind – weshalb diese Sorge in der Regel unbegründet ist.
Was sind aus deiner Sicht die drei wichtigsten Schritte für Frauen, die sich mit einem Lipödem alleine und überfordert fühlen?
- Die Erkrankung anerkennen – sich bewusst machen, dass es sich um eine medizinische Erkrankung handelt, für die man keine Schuld trägt.
- Kontakt zu anderen Betroffenen suchen – insbesondere zu Menschen, die eine positive Einstellung haben und motivieren können.
- Externe Unterstützung in Betracht ziehen – zum Beispiel durch medizinische Fachkräfte oder Therapeut*innen.
Heute würde ich das nicht mehr so lange alleine durchstehen wollen
Wie hast du es geschafft, dich von der Erkrankung nicht unterkriegen zu lassen – sondern sie sogar in eine Stärke zu verwandeln?
Nach meiner Operation fühlte ich mich plötzlich unglaublich frei – als hätte ich den "Lipödem-Mantel" endgültig abgeworfen. Durch meine intensive Recherche und den langen Kampf mit dem Lipödem bin ich zudem in vielen Bereichen, z.B. Ernährung und Sport, zur Expertin geworden. Außerdem helfe ich nun tagtäglich als Lipödem-Coachin Betroffenen auf ihrem Weg. Das hat mir geholfen, die Erkrankung nicht nur zu bewältigen, sondern sie in eine echte Stärke zu verwandeln.
Wenn du deinem jüngeren Ich heute einen Rat geben könntest – was würdest du dir selbst sagen?
Heute weiß ich, dass ich mir früher hätte Hilfe suchen und die Krankheit nicht so lange allein hätte durchstehen müssen. Das lag auch an meiner Sorge vor den Gesamtkosten der OP.
Heute kann ich sagen, dass es viele Möglichkeiten für die Finanzierung der OP gibt. Ich habe ein Modell gefunden, das es mir ermöglichte, in Raten zu zahlen. Zudem wurde ich nach einem Zonenkonzept operiert, weshalb ich auch nur ein bis zwei Zonen bezahlen musste. Durch die lokale Betäubung sparte ich außerdem die Anästhesiekosten.
Was wünschst du dir für die Zukunft – für dich, aber auch für alle Frauen, die mit einem Lipödem leben?
Ich wünsche mir, dass das Lipödem in der Öffentlichkeit deutlich mehr Sichtbarkeit erhält und Betroffene schneller Zugang zu notwendiger Unterstützung bekommen.
Außerdem fände ich es großartig, wenn es in ganz Deutschland mehr spezialisierte Lipödem-Coaches gäbe, die Frauen kompetent begleiten, unterstützen und stärken. Für mich persönlich wünsche ich mir, noch geduldiger mit mir und meinem Körper zu sein – denn auch ich vergleiche mich manchmal noch mit anderen.
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