Wenn die Psyche streikt

Diese Schmerzen werden durch Gefühle ausgelöst

Eine nachdenklich wirkende Frau sitzt auf einem grauen Sofa. Sie trägt ein gestreiftes T-Shirt und Jeans, ihr Blick ist sorgenvoll. Sie lehnt sich zurück und stützt ihren Kopf mit der Hand. Es scheint ihr nicht gut zu gehen, weil sie unter psychosomatischen Schmerzen leidet. Im Hintergrund sind Zimmerpflanzen und ein helles, modern eingerichtetes Wohnzimmer zu erkennen.
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Diese körperlichen Beschwerden können durch Gefühle und psychische Probleme ausgelöst werden.

Kopf und Körper sind eine Einheit. Daher wundert es nicht, dass sich Belastungen der Psyche auch im Körper zeigen – psychosomatische Schmerzen entstehen. Der Bereich, in dem die Schmerzen auftreten, kann Aufschluss darüber geben, wo die eigentlichen Ursachen liegen. Mehr dazu erfahren Sie hier.

Schmerzen sind unangenehm, aber auch ein wichtiges Signal des Körpers, dass etwas nicht in Ordnung ist. Schmerz kann durch unterschiedliche Auslöser entstehen: eine Wunde, eine Entzündung aber auch ein Gefühl kann die Ursache sein. Das Thema psychosomatische Erkrankungen wird häufig noch recht stiefmütterlich behandelt, dabei können auch Stress und seelische Belastungen zu erheblichen Schmerzen im Körper führen.

Psychosomatik: Gefühle und Stress verursachen Schmerzen

Neben körperlichen Ursachen kann die Psyche einen enormen Einfluss auf die Gesundheit haben. Gefühle, Stress oder andere seelische Belastungs-Situationen können Schmerz entstehen lassen. In solchen Fällen sprechen Expert*innen von psychosomatischen Schmerzen. Nach Schätzungen leiden mindestens 25 Prozent der deutschen Erwachsenen einmal in ihrem Leben oder dauerhaft an psychosomatischen Beschwerden.

5 Schmerzen, die durch Gefühle verursacht werden

Wie entstehen psychosomatische Erkrankungen?

Eine dauerhafte seelische Belastung, beispielsweise durch einen Konflikt bei der Arbeit, Probleme in der Beziehung oder zu viel Stress im Alltag, können Auslöser für psychosomatische Erkrankungen sein. Durch die permanente Anspannung geraten Prozesse im Körper in ein Ungleichgewicht. Das Nervensystem kann stark strapaziert werden und Alarmsignale senden oder der Hormonhaushalt gerät durcheinander – beides kann körperliche Schmerzen zur Folge haben.

Aber was genau können psychosomatische Schmerzen sein? BILD der FRAU hat bei einem Experten nachgefragt.

Thomas Dürst, Psychologe und Psychologischer Psychotherapeut, sagt: "Wenn ein Patient Schmerzen hat, und der Arzt nach umfassenden Tests keine körperliche Ursache feststellen kann, sollte die psychische Verfassung unter die Lupe genommen werden. Häufig wird diese in der Ursachen-Findung noch vernachlässigt. Bei vielen Patienten dauert es oft Jahre, bis ihnen erfolgreich geholfen wird. Ein Grund dafür: Psychosomatische Schmerzen können ganz unterschiedliche Auswirkungen haben."

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Foto: privat
Psychologe und Psychologischer Psychotherapeut Thomas Dürst

Seelische Probleme richtig deuten

Der Schmerz und die Psyche sind eng miteinander verwoben, ohne, dass dies den Betroffenen bewusst sein muss. Die Region in der der Schmerz auftritt, kann aber ein Hinweis darauf sein, wo die wahren Probleme im Körper liegen. Dürst: "Natürlich ist jeder Mensch unterschiedlich, und natürlich reagiert jeder auf Stress-Situationen anders. Aber es gibt bestimmte Körperstellen, die anfällig sind, bei unterschiedlichen Arten von Stress. Ein gutes Alltagsbeispiel ist die sprichwörtliche 'Angst im Nacken'. Unterdrückte Gefühle, wie Angst oder Wut, führen in der Regel zu muskulärer Anspannung. Fehlen Möglichkeiten zur Entlastung oder Entspannung kann dies in der Summe bzw. im Laufe der Zeit dazu führen, dass es über die erhöhte Anspannung zu Schmerzen im Körper kommt."

Dass es durch unterdrückte Gefühle und unbewusste seelische Konflikte zu körperlichen Erkrankungen kommen kann, hat der ungarische Arzt und Psychoanalytiker Franz Alexander bereits 1950 in seiner Theorie der "holy seven" (Übersetzt: "heiligen sieben") psychosomatischen Erkrankungen beschrieben. Dazu gehören nach Alexander:

  • die Atemnot (Asthma bronchiale)
  • das atopische Ekzem (Neurodermitis)
  • der Bluthochdruck (Arterielle Hypertonie)
  • die chronische entzündliche Darmerkrankung (Colitis ulcerosa)
  • die rheumatoide Arthritis
  • die Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) und
  • das Zwölffingerdarm-Geschwür (Ulcus duodeni)

Dürst dazu: "Natürlich ist es zu einfach alles sofort als psychosomatisch zu bezeichnen. Dennoch spielt meiner Erfahrung nach die Seele in den meisten körperlichen Erkrankungen eine Rolle. Wenn der Seele die Worte fehlen, dient der Körper häufig als Ausdruck unbewusster seelischer Konflikte und Spannungen, oder drastischer gesagt: 'Dein Körper spricht mit dir und das umso lauter, je mehr du deine Seele vernachlässigt hast'.“

5 Schmerzen, die durch Gefühle verursacht werden

5 Beispiele wie sich seelische Belastung aus heutiger Sicht auf den Körper auswirken kann – sehen Sie hier:

1. Rückenschmerzen: Sie gehören zu den häufigsten Arten der psychosomatischen Erkrankungen. Vor allem Belastungen am Arbeitsplatz oder im Alltag können zu Rückenschmerzen führen. Das Problem: Der andauernde seelische Druck wird nicht ausreichend abgebaut. Zeitmangel und Antriebslosigkeit können die Schmerzen noch verschlimmern, weil der nötige Ausgleich fehlt.

Sprichwörtlich: Angst im Nacken; eine schwere Last auf den Schultern tragen; Ich muss buckeln; ….

Tipp: Auch wenn es schwerfällt, das schlechteste bei Rückenschmerzen ist, sich nicht zu bewegen. Rückenübungen, Entspannungstechniken und Bewegung können helfen.

2. Magenprobleme: Psychische Belastungen, wie unterdrückte Gefühle, Ärger und Angst schlagen ganz besonders schnell auf den Magen und den Darm. Da das Verdauungssystem stark verbunden ist mit der Verarbeitung dieser Gefühle, nennt man es auch das emotionale Gehirn. Bei negativem Stress, Ängsten oder auch unterdrückter Wut, verkrampft sich der Magen, es wird mehr Magensäure produziert, was wiederum zu Sodbrennen und zu Übelkeit, Blähungen, Krämpfen und Magengeschwüren führen kann.

Sprichwörtlich: Es schlägt mir auf den Magen; in sich hineinfressen; liegt mir wie ein Stein im Magen;….

Tipp: Eine gesunde und ausgewogene Ernährung sollten zum Alltag gehören. Wichtig: Essen Sie bewusst, nehmen Sie sich Zeit für die Mahlzeiten. Und bauen Sie Phasen der Entspannung in Ihren Tag ein, so kann der Magen leichter zur Ruhe kommen. Außerdem ist regelmäßige Bewegung, auch schon mit geringer Belastung, hilfreich.

3. Kopfschmerzen: Ca. 70 Prozent der Bevölkerung leidet phasenweise oder auch chronisch unter Kopfschmerzen. Medizinisch können über 100 Arten von Kopfschmerzen unterschieden werden. Am häufigsten tritt der klassische Spannungs-Kopfschmerz auf. Symptome wie brummen, pochen oder stechen hängen fast immer mit ungelöster emotionaler Spannung zusammen. Diese beeinträchtigt das muskuläre System, den Hormonhaushalt und auch die Blutversorgung. Sind diese Systeme dauerhaft davon betroffen können sich chronische Kopfschmerzen entwickeln.

Sprichwörtlich: du bist engstirnig, ich zerbreche mir den Kopf, dickköpfig sein;...

Tipp: Machen Sie Entspannungstraining, gönnen Sie sich Auszeiten. Auch das Gehirn braucht regelmäßige Pausen. Achten Sie auf Ihre Ernährungsgewohnheiten, denn das Essen hat maßgeblichen Anteil daran, wie leistungsfähig der Körper ist.

4. Fibromyalgie: Beim Fibromyalgie-Syndrom handelt es sich meistens um Schmerzen im Bewegungsapparat. Dieser wird von Betroffenen häufig als Ganzkörperschmerz in der Muskulatur und den Sehnen beschrieben. Kernsymptome des Fibromyalgie-Syndroms sind neben den chronischen Schmerzen in mehreren Körperregionen, Schlafstörungen, nicht erholsamer Schlaf, Müdigkeit sowie körperliche und/oder geistige Erschöpfungsneigung.

Die Schmerzen treten meist auf, wenn über einen längeren Zeitraum eine private und berufliche Belastungs-Situation mit starker körperlicher und seelischer Überforderung besteht. Patienten mit dieser Erkrankung könnte man als "klassische Durchhalter" bezeichnen. Es handelt sich dabei um Persönlichkeiten die oft auf die "Zähne beißen", sich immer wieder "durchbeißen" und dabei über lange Zeit über ihre Grenzen gehen.

Sprichwörtlich: sich zusammenreißen; am Riemen reißen; Indianer kennt keinen Schmerz; …

Tipp: Auf eine grundlegende Reduzierung der Belastungen im Alltag sollte geachtet werden. Das Erlernen und die Ausübung vom Entspannungsverfahren ist in vielen Fällen ebenfalls sinnvoll. Ein Experte sollte darüber hinaus über ein Schmerzmanagement bzw. eine medikamentöse Behandlung entscheiden.

5. Schlafstörungen: Schlafstörungen und innere Unruhe gehören mittlerweile zu den häufigsten Beschwerden überhaupt und sind oft Folge der zuvor genannten Schmerz-Erkrankungen. Schlechtes Einschlafen und nächtliches Aufwachen, mit Schwierigkeiten wieder einzuschlafen, können die Folgen von starker körperlicher oder seelischer Tagesbelastung sein. Ungelöste Konflikte, Überforderungsgefühle oder auch Schmerzen können den Schlaf dauerhaft beeinträchtigen.

Mangelnde Schlaf-Hygiene kann ebenfalls zu Schlafstörungen führen. Hier sind vor allem der abendliche PC- und Smartphone-Konsum und auch eine zu lange Fernseh-Nutzung zu nennen. Und auch spätes sowie übermäßiges Essen verhindern gesunden Schlaf, ebenso wie Alkoholkonsum. Die Folgen unzureichender Schlafdauer sind Erschöpfung, geringe Belastbarkeit oder Gereitzheit.

Sprichwörtlich: Das raubt mir den Schlaf, Das nehme ich mit in die Nacht, ich komme nicht zur Ruhe;...

Tipp: Achten Sie auf Schlafhygiene. Probieren Sie aus, was Ihnen am Abend guttut, damit sich der Körper entspannen und auf dem Schlaf vorbereiten kann. Auch hier können Entspannungsverfahren unterstützend helfen.

Psychosomatische Schmerzen: Immer die Gründe abklären lassen

Sowohl der Körper als auch die Seele müssen im Gleichgewicht sein, damit der Mensch sich wohlfühlt. Häufig wird der Einfluss der Psyche aber noch unterschätzt. Dürst rät: "Wenn ein Schmerz über einen längeren Zeitraum anhält, sollte in jedem Fall ein Arzt zu Rate gezogen werden, um die Gründe abzuklären. Der Hausarzt sollte, in der Regel, in so einem Fall der erste Ansprechpartner sein. Wenn eine körperliche Erkrankung ausgeschlossen werden kann, sollte der Arzt in einem ausführlichen Gespräch die persönliche Belastungssituation des Patienten klären."

Mithilfe einer Psychotherapie können Betroffene anschließend lernen, über ihre emotionalen Belastungen und Konflikte zu sprechen. Indem sie ihre seelische Verfassung in Worten formulieren und offen aussprechen, bekommt der Körper ein neues Ventil, um die Spannungen abzubauen – Ziel ist es, dass der Körper sich nicht mehr nur auf der körperlichen Ebene ausdrücken muss und Schmerzen oder andere Symptome zurückgehen.

Grundsätzlich ist es wichtig, der Ursache zeitnah auf den Grund zu gehen, denn sowohl körperliche als auch psychosomatische Schmerzen können chronisch werden. Und somit die Lebensqualität dauerhaft beeinträchtigen. Negative Gefühle und Stress können sogar einen Herzinfarkt auslösen.

Thomas Dürst arbeitet als Psychologe und psychologischer Psychotherapeut in Berlin. Seine Spezialgebiete sind vor allem psychosomatische Erkrankungen, Burnout Symptomatiken und sowie Angst- und Depressionserkrankungen. Mehr Informationen über Herrn Dürst und seine Kontakt-Daten finden Sie auf seiner Website: http://duerst-psychotherapie.de

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