Die Krankheit kennt keine Konfektionsgröße 

Lipödem oder Übergewicht: So erkennst du den Unterschied 

Person greift sich an Oberschenken und zeigt Zeichen von Schmerz oder Unbehagen, auf hellem Hintergrund.
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Mehr als drei Millionen Frauen leiden in Deutschland an einem Lipödem. Knapp 13 Millionen Erwachsene sind von Adipositas betroffen.

Viele Frauen nehmen an Beinen und Armen zu. Doch leidest du an einem Lipödem oder an Übergewicht? Mit einem Selbsttest kannst du die Krankheit schnell erkennen.

Mehr als drei Millionen Frauen leiden in Deutschland an einem Lipödem. Knapp 13 Millionen Erwachsene sind von Adipositas betroffen. Aber welche Krankheit habe ich? Das fragen sich viele Frauen, wenn das Volumen an Armen und Beinen zunimmt. 

Viele suchen Rat in ihrer Hausarztpraxis. Aber auch Mediziner*innen können nicht immer den Unterschied von einem Lipödem im Anfangsstadium und einer Gewichtszunahme erkennen.

BILD der FRAU hat mit Patientin Sandra S. und Dr. Katrin Lossagk, der ärztlichen Leiterin bei LIPOCURA in den Kliniken mednord in München und der Beethoven-Klinik in Köln, darüber gesprochen, welche Symptome auf ein Lipödem hinweisen und wie die richtige Behandlung aussieht.

Lipödem oder Übergewicht? Sandras erfolgloser Kampf gegen die Kilos

Sandra S. war als Kind gerne schwimmen. Dann kam die Pubertät und ihr Körper hat sich verändert. Ein Ausflug an den See: Für Sandra S. undenkbar. Als sie die Pille eingenommen hat, wurde alles nur noch schlimmer.

"Ich war eigentlich immer recht viel in Bewegung und habe nie übertrieben viel gegessen, dennoch wurden gerade meine Beine immer kräftiger.

In der Jugend habe ich gekellnert und nach anstrengenden Tagen haben meine Beine stark geschmerzt. Mit Anfang 20 habe ich dann eine krankhafte Diät angefangen, kaum noch etwas gegessen und sehr viel Sport getrieben, da ich meine Beine nicht mehr akzeptieren konnte und wollte. 

Aber leider hat dies auch keine Erfolge gebracht. Zumindest nicht an den betroffenen Stellen. Meine Arme waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht betroffen, daher war mein Oberkörper sehr schlank, aber meine Beine waren unverändert. Ich habe mich immer wieder gefragt, was nicht richtig mit mir ist", erzählt Sandra S.

Lipödem oder Übergewicht: So erkennst du den Unterschied

Lipödem erkennen: Diese Schritte helfen dir

Dann stellen sich betroffene Frauen irgendwann die Frage: Hab ich Übergewicht oder ein Lipödem? Wer nicht weiter weiß, geht zu einer Ärztin oder zu einem Arzt. Geschulte Mediziner*innen erkennen die Symptome bei einem Lipödem. Dazu müssen sie allerdings die Krankengeschichte des/der Patient*in kennen, einen Ultraschall machen oder die betroffene Bereiche abtasten oder befühlen.

Warum ein Lipödem mehr als nur Übergewicht ist

"Ein Lipödem ist eine Fettverteilungsstörung, die in erster Linie Beine und Arme betrifft und ausschließlich bei Frauen auftritt. Im Gegensatz zur Adipositas kann es nicht durch Sport und Ernährung beeinflusst werden. Häufige Symptome sind zudem Schmerzen, Druck und Berührungsempfindlichkeit, schwere Beine, Schwellungen, die im Lauf des Tages noch schlimmer werden, sowie vermehrt blaue Flecken", erklärt Dr. Katrin Lossagk.

Keine Stiefel, keine Shorts: Sandras Leben mit Lipödem

Sandra S. erhielt ihre Lipödem-Diagnose im Sommer 2021. Davor hat sie jahrelang gelitten: "Ich stand kurz vor einer Essstörung, da ich lange nicht wusste, dass ich eine Krankheit habe. Ich habe meine Beine viele Jahre versteckt, weil sie mir unangenehm waren. Im Sommer kurze Hosen oder Röcke? Die kamen für mich nicht infrage. Auch Stiefel und Boots passten mir ab der Pubertät nicht mehr.

Ich habe mich oft missverstanden gefühlt, da ich vieles versucht habe, um abzunehmen, aber das Umfeld einem nicht geglaubt hat, da keine Erfolge zu sehen waren. Deshalb hab ich an mir selbst gezweifelt und mir die Schuld gegeben, dass ich nicht abgenommen habe."

Lymphdrainage und mehr: Diese Therapien lindern Lipödem-Symptome

Um den Leidensdruck der Patientinnen zu minimieren, ist es wichtig, dass das Lipödem schnell erkannt und behandelt wird. Dafür gibt es verschiedenen Therapiemöglichkeiten: "In erster Linie die konservative Therapie mit Kompressionsstrumpfhose, Lymphdrainage, ketogener Ernährung sowie Sport (idealerweise im Wasser). Dies alles führt jedoch bestenfalls nur zu einer Beschwerdelinderung. Es hält die Erkrankung nicht auf und drängt sie auch nicht zurück.

Bei erfolgloser konservativer Behandlung beziehungsweise ausgeprägten Fettansammlungen oder starken Beschwerden durch Schmerzen kann eine operative Therapie eine wirksame Alternative sein – vorausgesetzt, dass an allen betroffenen Arealen das Fett gründlich absaugt und somit eine Volumenreduktion erzielt wird."

Lipödem operativ bekämpfen: Warum schnelles Handeln zählt

Wurde gründlich operiert, so wird das Lipödem in den meisten Fällen nicht wieder an den abgesaugten Stellen auftreten.

"Leider kann es aber zu einer Umverteilung kommen. Das heißt, an anderen Stellen wie Bauch, Rücken oder Gesäß zeigt sich eventuell eine deutliche Vermehrung des Fettes  – unabhängig von der Ernährung. Dies kann mit Schmerzen einhergehen", erklärt Dr. Katrin Lossagk.

Je früher operiert wird, desto erfolgreicher das ästhetische Ergebnis und die Beschwerdebesserung beziehungsweise -freiheit. Der einfache Grund: Je länger man wartet, desto mehr verliert die Haut im Alter  – und durch deutliche Volumenzunahme – an Elastizität und Straffungstendenz. Zudem ist eine Beschwerdefreiheit am ehesten zu erzielen, wenn die Schmerzen nicht schon chronisch und die Lymphbahnen noch gesund sind. Denn in einem fortgeschrittenen Stadium sind auch die Lymphbahnen betroffen.

Für Sandra S. war eine Operation aber genau die richtige Entscheidung: "Ich bin sehr viel fitter und beweglicher. Alltägliche Dinge sind für mich nicht mehr mit Schmerzen verbunden und ich fühle mich endlich wieder wohl in meinem Körper und schaue mich gern im Spiegel an und möchte mich nicht mehr verstecken."

Genetik und Hormone: Die verborgenen Auslöser des Lipödems

Bis heute rätselt die Wissenschaft, wie es zu der krankhaften Fettverteilungsstörung kommt.

"Als ziemlich sicher gilt, dass sowohl die Genetik als auch die Hormone wesentlichen Einfluss auf die Entstehung haben. In Familien, in denen schon die Mutter oder Großmütter (auch die Väter können es weitergeben) an einem Lipödem erkrankt sind, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass es auch die Tochter bekommt", erläutert die Fachärztin.

In den meisten Fällen tritt sie bei Frauen nach einer hormonellen Veränderung wie Pubertät oder beispielsweise einer Schwangerschaft auf.

Lipödem: Warum auch schlanke Frauen nicht sicher sind

Eine Sache möchte Sandra S. anderen betroffenen Frauen noch mit auf den Weg geben: "Schmerz ist nicht immer sichtbar und das Lipödem kennt keine Konfektionsgröße. Auch schlanke Frauen können von der Krankheit betroffen sein und unter starken Schmerzen leiden."

Hast du die Vermutung, eine Fettverteilungsstörung zu haben? Der kostenlose "Lipödem-Selbsttest“ zeigt dir, wie hoch die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung in deinem Fall ist. Dr. Katrin Lossagk hat ihn 2015 entwickelt.

Ob letztendlich wirklich ein Lipödem vorliegt, kann abschließend nur die/der geschulte Facharzt/Fachärztin eindeutig klären.

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