Woche 3

21 Tage vegan – und die Luft wird immer dünner...

Vegan Selbstversuch
© Pako Cardenas Quijada

Einfach mal einen Monat lang auf alle Lebensmittel tierischer Herkunft verzichten – geht das? Und wie fühlt sich das an? Unsere Redakteurin hat es ausprobiert und teilt in dieser fünfteiligen Serie ihre Erfahrungen mit Ihnen.

Es ist ja wie bei den meisten Dingen im Leben, die man umstellt: Man gewöhnt sich irgendwie an alles – auch an vegane Ernährung. So dümpelte ich also in die dritte Woche meines Selbstversuchs und es fühlte sich schon alles ein wenig so an, als sei es nie anders gewesen. Was aber auch auffällt, ist, dass sich mittlerweile mein ganzes Leben gefühlt nur noch um das Thema "Essen" dreht. Wie kann ich vegan kochen? Wo kann man essen gehen? Wie kann ich meine Gelüste nach Käse befriedigen? Und dabei klappt manches besser als anderes...

Vegan kochen zu Hause: Kein Hexenwerk

Sobald ich in meiner eigenen Küche zu Hause stand, kannte meine Kreativität kaum Grenzen. Ich wagte mich an die (für mich) undenkbarsten Unterfangen und stellte mir aus gemahlenen Cashewkernen und Hefeflocken veganen Parmesan her. Ich zückte den Pürierstab und rührte aus Sojamilch, Öl und Knoblauch rein pflanzliche Aioli zusammen. Auf meinem Teller (und im Anschluss daran in meinem Magen) landeten wirklich unfassbar kreative Leckereien.

  • Erkenntnis Nummer 7: Mit den richtigen Rezepten und Zutaten gibt es nichts, was nicht "veganisierbar" ist.

Der Gedanke an Rührei und Käse schmerzte zwar noch immer, aber ich konnte mir in diesem Moment beim besten Willen nicht vorstellen, je wieder ein Stück Fleisch in den Mund zu nehmen. Nicht, weil es nicht schmeckte – sondern weil ich jetzt schon so viele tolle Alternativen ausprobiert hatte.

Zu Hause war es mir mittlerweile ein Leichtes, gut, lecker und vegan zu kochen. Ich hatte ja auch in den vergangenen beiden Wochen gelernt, wie und was ich einkaufen muss, damit dieser Selbstversuch bereichernd wird und nicht zu einer einzigen Tortur. Schwieriger war es da allerdings, wenn ich die heimischen vier Wände verließ und zum Beispiel ins Büro ging.

Vegan kochen im Büro: Weit weniger spaßig als zu Hause

Für gewöhnlich isst unser BILD der FRAU-Team häufig zusammen Mittag und nicht selten wird sogar zusammen gekocht. Zwar ist es für meinen Selbstversuch ganz praktisch, dass die meisten meiner Kolleginnen Vegetarierinnen sind, doch selbst da gestaltet sich das Ganze zuweilen schwieriger, als ich mir hätte vorstellen können. Selbst inmitten aller Vegetarier fühlte ich mich unwohl, wenn es um die Planung des gemeinsamen Mittagessens ging.

"Wollen wir Salat mit Halloumi und Honig-Senf-Dressing essen?" – "Geht für mich nicht. Halloumi ist Käse und im Dressing ist Honig. Leider nicht vegan."

"Wie wäre es mit Spinat-Tortellini mit Tomaten-Sahne-Soße und Parmesan"? – "Nein... im Teig der Tortellini ist Ei, in der Tomaten-Soße Sahne und Milchpulver und Parmesan ist ja bekanntlich Käse."

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Foto: iStock/Ben6

Die Gespräche zur Mittagszeit verliefen immer recht ähnlich. Ich sah in die ratlosen Gesichter meiner Kolleginnen, die redlich bemüht waren, dass auch ich nicht mit leerem Magen in den Nachmittag starten musste. Ich auf der anderen Seite fühlte mich schlecht, weil es wegen mir so kompliziert zuging. Ich hatte tatsächlich ein schlechtes Gewissen.

Am Ende wurden es Spaghetti aus Hartweizengrieß (und ohne Ei) mit passierten Tomaten, die mit einigen Gewürzen abgeschmeckt waren. Für mich zerrupfter, veganer Scheibenkäse (die einzige Alternative aus dem Supermarkt in der Nähe unseres Büros). Für die anderen wurde es geriebener Parmesan, auf den ich neidisch schielte, als ich lustlos in meinen recht faden Spaghetti herumstocherte.

Natürlich. Ich hätte mich auch in die Büro-Küche stellen können und wie zu Hause groß auffahren können. Dazu fehlte es mir während der Arbeit allerdings an Zeit. Ja, natürlich, ich könnte mich auch besser auf die Situation einstellen und bereits abends für das Mittagessen vorkochen. Habe ich nicht gemacht. Und irgendwie fällt mir dafür auch keine plausible Ausrede ein, die ich mir selbst glauben würde.

An dem Punkt musste ich also nochmal ansetzen. Wenn ich abends mein Thai-Curry oder meine Gemüsepfanne vegan koche, mache ich einfach gleich so viel, dass es für den nächsten Tag zum Mittagessen reicht. Dann habe ich am Tag wenigstens keinen Hunger mehr. Aber ich sitze mit meiner Extrawurst im Kreise meiner Kolleginnen mit ihrem Essen, bin neidisch und fühle mich ausgeschlossen. Irgendwie.

  • Erkenntnis Nummer 8: Wer sich vegan ernährt, gehört zu einer Minderheit – zumindest heutzutage noch. Man kann es nicht verhindern, dass man sich hier und da ausgeschlossen fühlt.
  • Erkenntnis Nummer 9: Alle anderen müssen sich anpassen und das sorgt für ein schlechtes Gewissen? Das kann man umgehen, indem man sich schon im Vorfeld auf Essens-Situationen vorbereitet und zum Beispiel sein Wochenmenü im Sinne von "Meal Prep" vorkocht.

Es ist eben alles nicht so einfach. An Verzicht gewöhnen, gleichzeitig vermissen – stolz sein auf das bislang Erreichte und sich dennoch fühlen wie ein Sonderling. Ein wenig ausgeschlossen, wobei das natürlich von keinem das Ziel war und eher notgedrungen mit der Situation einhergeht. Ach ja, und wenn wir schon bei den Themen "Sonderling" und "ausgeschlossen" wären... Da waren ja noch die beiden großen Herausforderungen dieser Woche. Und bei beiden verstärkte sich das "Sonderling"-Gefühl nochmals.

Vegan essen gehen: Das "Deutsche Haus" als Endgegner

Schnitzel, Braten, Geschnetzeltes, Eisbein, Rouladen, Gulasch, Bratwurst...

Ich lasse mir alle Gerichte durch den Kopf gehen, die ich so in einem deutschen Restaurant auf der Speisekarte vermute. Und da wird mir schnell deutlich: Rein Pflanzliches dürfte eher Mangelware sein. Eine große Herausforderung, der ich mich in dieser dritten Woche meines Selbstversuchs stellen musste. Sehr liebe Menschen haben zum Geburtstagsessen in ein deutsches Restaurant geladen... und mir graute ein wenig davor, was ich alles auf der Speisekarte finden, beziehungsweise NICHT finden würde.

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Foto: iStock/kzenon

Würde am Ende alles auf einen Salat hinauslaufen? Mit Essig-Öl-Dressing – was, nur mal nebenbei bemerkt, so absolut nicht mein Ding ist? Das Studieren der Speisekarte war ernüchternd. Wenig überraschend fanden sich vor allem Fleisch- und Fischgerichte auf der ohnehin schon knapp gehaltenen Karte wieder. Vegetarische Alternativen: Flammkuchen mit Sauerrahm und Pilzen, gebackener Camembert, Tomatencremesuppe und Ofengemüse.

Immerhin Letzteres hörte sich nicht so verkehrt an und könnte unter Umständen sogar vegan sein. Und ich habe Lust auf Kartoffeln. Als der Kellner kam, frage ich genauer nach den Zutaten des Ofengemüses. Zucchini, Tomaten, Paprika – und Feta. Diesen bestellte ich schweren Herzens schon mal ab. Dann fragte ich nach Bratkartoffeln – und, ob man diese auch ohne Speck bestellen könne. Das sei kein Problem, ließ der freundliche Kellner verlauten. "Worin werden die Kartoffeln angebraten?", war dann meine letzte Frage. "Butterschmalz", lautete die Antwort. "Könnte man die Kartoffeln vielleicht in Pflanzenöl anbraten?" "Aber wir braten die Kartoffeln immer in Butterschmalz an. Wegen des Aromas." Schon klar, dachte ich mir. Schmeckt ja auch besser. Ich erklärte dem netten Mann meine Situation und er gab meinem Wunsch nach. Puh, gar nicht so einfach. So eine Verhandlung.

Der Kellner war weg und ich fühlte mich kurz ganz schön unwohl am Tisch. Ich mochte es noch nie, im Restaurant Sonderwünsche zu äußern. Schon früher, wenn ich keinen Gorgonzola und stattdessen lieber Salami auf meiner Pizza haben wollte, ließ ich diesen Extrawunsch meist von meiner Begleitung beim Kellner durchsagen, so unangenehm ist mir das.

  • Erkenntnis Nummer 9: Wer sich vegan ernähren will, braucht ein ganz schön dickes Fell – insbesondere beim Essen im Restaurant. Einfach drauf los bestellen ist praktisch nicht möglich, es sei denn, man ist in einem veganen Restaurant. Ansonsten kommt man um Fragen nach der Zubereitung und der einzelnen Bestandteile eines Essen schlicht nicht herum. Ein wenig Verhandlungsgeschick und Freundlichkeit ist auch von Vorteil, um die eigenen Wünsche umgesetzt zu bekommen.

Geschmeckt hat mein Menü am Ende natürlich trotzdem – und in angenehmer Gesellschaft schmeckt das Essen gleich noch viel besser. Und man nimmt ja schon einige Unannehmlichkeiten in Kauf, um mit den Lieben Zeit zu verbringen. Aber für den Rest meines Selbstversuchs würde ich mir den Besuch eines deutschen Restaurants der Einfachheit halber sicherlich klemmen und lieber selbst vegan kochen oder in ein veganerfreundlicheres Restaurant gehen.

  • Erkenntnis Nummer 10: Wer wie ich gerne ins Restaurant geht und sich vegan ernährt, der sollte sich am besten im Vorfeld genau überlegen, welches Lokal er auswählt, um sich den Abend so angenehm wie möglich zu machen.
Küche Kommentar Mögliche Gerichte Für Veganer geeignet?
Deutsche Küche Im deutschen Restaurant geht es nicht ohne Nachfragen, deshalb kann man kaum pauschal sagen, welches Gericht ohne Sorge gegessen werden kann. Wer sicher gehen will, muss selbst bei Gerichten, die auf den ersten Blick vegan erscheinen, beim Service nachhorchen, ob bei der Zubereitung kein tierisches Fett zum Braten (die Deutschen lieben Butterschmalz) oder Sahne zum Verfeinern verwendet wurde. Halbwegs sicher kann man sich bei einem grünen Salat mit Tomaten und Essig-Öl-Dressing sein. eher nicht
Griechische Küche Ähnlich Fleisch-lastig wie die deutsche Küche ist auch die Griechische. Man denke nur an Gyros, Souvlaki, Bifteki und Co. Obendrein ist bei vielen Gerichten Feta und Tzatziki dabei. Alles lecker, alles nicht pflanzlich. Wer aber nicht um einen Besuch beim Griechen herum kommt, sollte ebenfalls mit dem Service sprechen und gezielt nachfragen. Insbesondere bei den Vorspeisen kann man Glück haben. Lecker sind zum Beispiel ein Bauernsalat (ohne Feta), mit Reis gefüllte Weinblätter und verschiedenes, gegrilltes Gemüse – ohne Dip, versteht sich. Auch Pommes sind meist vegan, einfach nachfragen, welches Fett zum Frittieren verwendet wird. eher nicht
Italienische Küche Meine Erfahrung mit dem Pizza-Bringdienst habe ich ja schon an früherer Stelle des Selbstversuchs erläutert. Wenn Sie dennoch ein italienisches Restaurant besuchen, haben Sie dort zumindest den Vorteil, dass Sie sich um Butter keine Sorgen machen müssen, da die Italiener insbesondere mit Olivenöl arbeiten. Gönnen Sie sich als Vorspeise Bruschetta mit Knoblauch und Tomaten. Anschließend können Sie Pizza mit Gemüse und ohne Käse bestellen. Echt italienischer Pizzateig ist für gewöhnlich vegan, sicherheitshalber kann man aber nochmal beim Service nachfragen. Ebenfalls lecker sind Pasta Pomodoro, Arrabiata oder Aglio Olio. Einfach beim Bestellen anmerken, dass Sie keinen Parmesan über dem Gericht haben wollen. bedingt
Orientalische Küche Wer gut informiert ist, der sollte unbedingt Orientalisch essen gehen. Zwar können sich auch hier in Soßen und Co tierische Zutaten finden, doch nachfragen schafft Abhilfe! Tatsächlich: "Döner" essen ist möglich. Einfach nur Salat oder vegane Falafel als Füllung wählen und als Soße Hummus oder scharfe Soße bestellen. Auch gegrilltes Gemüse mit Falafel und Hummus sind hervorragend geeignet, ebenso wie Tabbouleh, Baba Ganoush und einige Bulgur- und Couscoussalate. absolut
Asiatische Küche Die asiatische Küche ist – zusammengenommen – hervorragend für die rein pflanzliche Ernährung geeignet. Das gilt für Thailänder, Japaner, Chinesen und Vietnamesen. Meist sind vegane Gerichte auch schon in der Karte als solche gekennzeichnet, was das Ganze wesentlich einfacher gestaltet. Mittlerweile gibt es sogar spezielle, asiatische Restaurants, die sich komplett auf vegane Kost ausgerichtet haben. Da kann man sich quer durch die Speisekarte probieren, ganz ohne aufwendiges Suchen und Nachfragen. Probieren Sie eines der vielen Tofu- und/oder Curry-Gerichte. Letzteres wird für gewöhnlich mit Kokosmilch zubereitet. Es gibt auch eine breite Auswahl an veganem Sushi. Nachfragen sollten Sie allerdings bei der beliebten Miso-Suppe, die ist nicht in allen Fällen vegan. In der japanischen Küche wird z.B. oft mit Fischsud gearbeitet. perfekt

Zurück zum Thema. Es war wirklich nicht leicht, in der dritten Woche meines vorübergehenden Vegan-Daseins inmitten einer Gruppe von Menschen zu sitzen, die sich ein leckeres Steak oder Schweinemedaillons mit Pfifferlingen gönnten, während man selbst schon froh war, überhaupt etwas Essbares außer Salat gefunden zu haben. Eine echte Herausforderung – und es sollte nicht die letzte in dieser Woche bleiben.

Hackfleisch braten als Veganer...

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Foto: iStock/joruba

Wie Ihnen vielleicht nicht entgangen ist: Ich bin die Food-Redakteurin in der Online-Redaktion von BILD der FRAU. Zu meinem Job gehört unter anderem auch, regelmäßig aus Rezepten Videos zu machen. Aufregende Tage sind das. Vier bis fünf Rezepte werden vor laufender Kamera zubereitet, begleitet von unserem sehr netten Video-Team, das sich im Anschluss auch um die weitere Verarbeitung und den Schnitt kümmert. Die gekochten Kreationen wiederum bekommt dann das Team serviert – hier wird nichts weggeworfen. Das bringt aber auch mit sich, dass ich einen gewissen Anspruch an den Geschmack der von mir gekochten Gerichte habe.

Schön blöd, wenn man dann Dinge kochen muss, die man gar nicht abschmecken kann – wie zum Beispiel einen Eintopf mit Hackfleisch. Seit knapp drei Wochen hatte ich also kein Fleisch mehr im Mund gehabt und konnte es mir auch nicht mehr so recht vorstellen. Aber als ich da am Herd stand und das Hackfleisch krümelig anbriet, lief mir dann doch das Wasser im Munde zusammen. Am liebsten hätte ich meinen Kopf ganz dicht über die dampfenden Zutaten gehalten, um den Geruch in mich aufzusaugen – doch das wäre vermutlich nicht sonderlich professionell gewesen, also ließ ich das.

Ob es am Ende überhaupt geschmeckt hat, kann ich auch nicht sagen. Ich durfte ja nicht testen, ob ich fahrlässig mit den Gewürzen umgegangen bin. Meine Kolleginnen haben zumindest brav aufgegessen. Und ich? Ich war genervt. Ich war genervt von allen Menschen, die leckere Sachen essen dürfen. Ich schaute ihnen beim Essen zu, während ich selbst an meinem Hummus-Brot kaute. Früher mochte ich Hummus mal. Diese Tage sind definitiv vorbei. Ich zähle die Stunden bis zum Ende... (was zu diesem Zeitpunkt übrigens noch 249 an der Zahl waren).

Fazit Woche 3: So langsam reicht es mir...

Neid ist definitiv keine schöne Eigenschaft an einem Menschen – und ich schwöre, dass ich anderen Menschen für gewöhnlich ihr Glück gönne. Doch mittlerweile würde ich gerne bei allen, die beherzt in Schnitzel oder Käsebrötchen beißen, das Auto oder Fahrrad in Unmengen an Klopapier einwickeln. Das liegt nicht einmal NUR am Neid. Tatsächlich bin ich einfach hungrig. Und hungrige Menschen sind bekanntlich irgendwie böse. War ich in den ersten beiden Wochen des Selbstversuchs irgendwie immer pappsatt von kleinen Portionen, hatte ich jetzt Hunger – aber so richtig. Von der Menge her habe ich genügend gegessen und man kann, wie ich ja festgestellt habe, sehr gut vegan kochen. Daran kann es also nicht liegen. Es ist wohl viel mehr so, dass mich das rein pflanzliche Essen auf Dauer nicht recht zu befriedigen scheint.

Kurzum: Ich entwickelte mich langsam zum garstigen Scheusal. Ich hoffte, das wird wieder besser. Das Ganze dauerte ja nur noch eine Woche. Ich hatte das Ziel quasi schon vor Augen. Wie es mir dann beim Endspurt so ergangen ist, erfahren Sie nächsten Freitag im vierten Teil dieser Reihe.

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